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Börsen-Zeitung: Kommentar zum Mannesmann-Prozess: Steilvorlage für die Verteidiger, von Brunfrid Rudnick

Frankfurt (ots)

Die Ankläger im Mannesmann-Strafverfahren haben
der Verteidigung, die am Donnerstag nächster Woche plädieren wird,
mit ihrem Schlusswort eine regelrechte Steilvorlage geliefert. Denn
einer der Staatsanwälte hat sich einen juristischen Fauxpas
geleistet, wie ihn auch erfahrene Juristen noch nicht erlebt haben.
Während seines Plädoyers bezeichnete er den wegen Beihilfe zur
Untreue angeklagten Esser nicht mehr als Gehilfen, sondern als Täter,
sogar als Haupttäter, „der lenkend und gestaltend in das Geschehen
eingegriffen hat“. Er wurde von der Vorsitzenden Richterin in
scharfem Ton gebremst, denn eine Täterschaft Essers ist nach dem
Eröffnungsbeschluss nicht Gegenstand der Anklage und darf nicht in
die Hauptverhandlung eingeführt werden.
Der sichtlich getroffene Staatsanwalt entschuldigte sich
kleinlaut: Es sei nicht böswillig gemeint. Den darauf folgenden
bissigen Kommentar eines empörten Verteidigers, „erst haben sie die
Wirklichkeit verdreht und nun auch noch das Recht“, darf man auch
nicht auf die Goldwaage legen, aber er trifft den Kern. Auch die
Ankläger müssen erkannt haben, dass sie sich verrannt haben.
Daraufhin haben sie wohl versucht, auf einen vom Gericht gesperrten
Kriegsschauplatz zurückzukehren. Dieser stümperhafte Versuch ist
Wasser auf die Mühlen der Verteidigung.
Die Staatsanwälte haben offensichtlich den Nackenschlag nicht
verwunden, den ihnen die Strafkammer Ende März versetzt hatte, als
sie Freispruch signalisierte. Zwar hätten die Angeklagten gravierend
gegen das Aktienrecht verstoßen, aber es habe ihnen die Einsicht
gefehlt, Unrecht zu tun. Gegen diesen „unvermeidbaren Verbotsirrtum“
rannten die Ankläger vergebens an. Bisher hat die Kammer nicht zu
erkennen gegeben, dass sie von ihrem Rechtsstandpunkt abgerückt ist.
Obwohl Strafanträge eigentlich keinen Sinn machen, wenn die Anklage
realistischerweise selbst einen Freispruch erwarten muss, wurden
Haftstrafen ohne und mit Bewährung gefordert. Das war überflüssig und
hat die Angeklagten beschädigt, denn in der breiten Öffentlichkeit
gelten sie nun als kriminalisiert. Da wird ein Freispruch schnell zum
Freispruch zweiter Klasse.
Mit der strafrechtlichen Würdigung (oder Ahndung) der Mannesmann-
Prämien in Düsseldorf und sicherlich vor dem BGH darf der Fall indes
nicht abgeschlossen werden. Die Beweisaufnahme hat reichlich
Verhaltensweisen aufgedeckt, mit denen Vorschriften des
Aktiengesetzes umgangen wurden und die einer ordentlichen Corporate
Governance krass widersprechen. Das Verfahren hat aber auch deutlich
gemacht, dass der Untreue-Paragraf in aktueller Fassung schlicht
untauglich ist.
(Börsen-Zeitung, 3.7.2004)
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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