Börsen-Zeitung: Leitartikel von Peter Roller zum Kostensenkungspaket bei DaimlerChrysler: Ein erster Schritt
Frankfurt (ots)
Bei DaimlerChrysler ist zwischen Unternehmensleitung, Gesamtbetriebsrat und IG Metall ein Gesamtpaket geschnürt worden, das bei der Mercedes Car Group von 2007 an jährliche Einsparungen von 500 Mill. Euro bei den Personalkosten bringen soll. An diesem Ergebnis führte letztlich kein Weg vorbei. Wenn die neue C-Klasse in Bremen kostengünstiger gebaut werden kann als in Sindelfingen, hat das Unternehmen nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Verlagerung dieser Fertigung nach Bremen oder aber die Schaffung einer so günstigen Kostenstruktur, dass auch in Sindelfingen wettbewerbsfähig produziert werden kann. Letzteres bedeutet den Erhalt von rund 6000 Arbeitsplätzen in Sindelfingen, Mannheim und Stuttgart- Untertürkheim, setzte aber Entgegenkommen der Mitarbeiter in allen deutschen Standorten voraus. Doch auch der Konzern musste Federn lassen. Die im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden verankerte Steinkühlerpause bleibt, wenn auch aufgeweicht, und an den Schichtzuschlägen wird nicht gerüttelt. Darüber hinaus warf das Unternehmen auch noch eine beachtliche Gegenleistung in die Waagschale: Arbeitsplatzgarantie bis 2012. Das ist in Zeiten wie dieser ein gewichtiges Wort.
Im Gefechtslärm zwischen den Parteien gingen zwei Dinge unter, an die deshalb erinnert werden muss: Zum einen ging und geht es in Wirklichkeit nicht um Sindelfingen hier und Bremen dort, sondern um den Standort Deutschland, der in einem gnadenlosen Wettbewerb mit Niedriglohnländern steht. Zum andern ist das Unternehmen nicht nur seinen Mitarbeitern verpflichtet, sondern auch seinen Aktionären. Diese wechselseitigen Verpflichtungen setzen eine wettbewerbsfähige Produktion voraus, denn nur damit lassen sich auf Dauer sowohl Arbeitsplätze als auch eine angemessene Verzinsung des Kapitals sichern.
Dass das Unternehmen mit Blick auf die künftige Wettbewerbsfähigkeit nicht nur ein Sparpaket schnürte, sondern gleichzeitig versuchte, alte Zöpfe abzuschneiden, kann ihm nicht verübelt werden. Mehr noch, es war geradezu verpflichtet, zu handeln. Hätte das Management die Dinge einfach weiterlaufen lassen, hätten sich die Probleme in den nächsten Jahren bei der Erneuerung der E- und der S-Klasse in verschärfter Form gestellt. Ohne den jetzt erzielten Kompromiss wäre die Gesellschaft Gefahr gelaufen, mittel- bis langfristig ihre Spitzenposition in der Automobilindustrie zu verlieren, weil sie im Wettbewerb nicht mehr mithalten könnte. Dann wären nicht nur zigtausende von Arbeitsplätzen in den deutschen Werken gefährdet, sondern der Bestand des ganzen Konzerns. Doch mit den jetzt vereinbarten Sparmaßnahmen ist es nicht getan. Die Reduzierung der Personalkosten ist zwar eine wichtige Maßnahme zur Erreichung des Ziels, auch in der Zukunft Fahrzeuge zu wettbewerbsfähigen Verkaufspreisen herstellen zu können. Es ist aber nur ein Schritt, der auf Dauer nicht ausreicht und dem weitere folgen müssen.
Der Blick auf die Konkurrenz zeigt dies deutlich, denn in Sachen Profitabilität können Wettbewerber wie BMW, Audi oder Lexus locker mithalten. Dass Mercedes-Benz seine Pkw teurer produziert als etwa BMW, kann nicht allein der Steinkühlerpause und den anderen tariflichen Besonderheiten in die Schuhe geschoben werden. So kostet der Durchschnitts-BMW, wie Ferdinand Dudenhöffer von der Fachhochschule Gelsenkirchen ermittelte, 35000 Euro und der Durchschnitts-Mercedes 42000 Euro, aber beim Gewinn je verkauftem Fahrzeug liegt Mercedes mit 2569 Euro lediglich um 70 Euro über dem von BMW mit 2499 Euro. Dies schlägt sich in einer Umsatzrendite pro Fahrzeug von 7,2% bei BMW, aber lediglich 6,1% bei Mercedes nieder. Durch das jüngste Sparpaket schließt sich zwar die Schere für Mercedes ein gutes Stück, aber eben nicht vollständig.
Unter anderem erreicht der bayerische Konkurrent im Marktsegment der C-Klasse, um die es ja bei der jetzigen Auseinandersetzung ging, mit seiner 3er-Reihe eine höhere Stückzahl, was günstigere Kosten zur Folge hat. Weitere Vorteile hebt BMW bei dem kürzlich auf den Markt gekommenen Kompaktfahrzeug durch konsequente Anwendung des Gleichteileprinzips. So bestehen der neue Einser und der Dreier zu 60% aus identischen Komponenten, womit erhebliche Kosteneinsparungen verbunden sind. Mercedes hinkt hier deutlich hinterher, der Anteil gleicher Teile etwa zwischen den wichtigen und preissensiblen Volumenmodellen der A- und C-Klasse dürfte bei 30 bis 40% liegen. Noch krasser liegen die Dinge zwischen Smart und Mercedes. Bei Mercedes-Benz, so Dudenhöffer unmissverständlich, stimmt etwas mit den Kosten nicht und er meint damit nicht nur die Personalaufwendungen.
Deshalb ist eine Steigerung der Effizienz über alle Bereiche des Konzerns hinweg dringend erforderlich, denn nur so kann DaimlerChrysler mittel- und langfristig im sich weiter verschärfenden internationalen Wettbewerb bestehen. Dass dabei regionale Besonderheiten wie die Steinkühlerpause oder besonders hohe Schichtzuschläge weiterhin auf dem Prüfstand stehen müssen, gehört zu diesem Komplex. Dies sieht auch der sich sonst aus dem Konflikt heraushaltende baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel so. Er räumte ein, dass Baden-Württemberg bei der Flexibilisierung etwas ins Hintertreffen geraten ist. In allen Bereichen ist das Land eben doch nicht Spitze.
(Börsen-Zeitung, 24.7.2004)
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