Börsen-Zeitung: Kommentar von Gottfried Mehner zur Vorlage des VW-Halbjahresergebnisses: Warnblinker bei VW
Frankfurt (ots)
So schlimm, wie es die Analysten befürchtet haben, ist es nicht gekommen: Umsatz, Ertrag und freier Cashflow lagen bei VW alle über der Konsensschätzung. Ob man wirklich dazu gratulieren kann, steht auf einem anderen Blatt. Jetzt erhalten in der Tat wieder all die Oberwasser, die eben sagen, so schlimm ist es doch gar nicht und die glauben, mit intelligenten Ausweichlösungen und einer Hartz-Version- X lasse sich alles bewältigen.
Dabei gilt die ganz einfache Analogiekonstruktion: Wenn bei DaimlerChrysler Einschnitte von 500 Mill. Euro notwendig sind, sind sie in Wolfsburg doppelt notwendig. Von den selbst gesetzten Renditezielen von 9% nach Steuern ist Wolfsburg Lichtjahre entfernt. Aber Druck passt ja nicht zum Konsensmodell. Die Kapitalkosten werden hartnäckig nicht verdient. Vor zehn Jahren bestand bei VW ein Personalüberhang von 30%. Aktuell liegt er dort immer noch. Welch gepflegter Stillstand. Klar, so wie der Konzern tickt sind eine Umsatzrendite von 2,5% vor und 1,5% nach Steuern schon enorme Leistungen. Auf jeden Fall sind sie besser als im ersten Quartal, als sie noch bei 0,2 bzw. 0,1% lagen. Verantwortlich waren Sonderfaktoren und Fair value- Abschreibungen.
Der Problemdruck des zweiten Quartals lässt sich an drei Größen festmachen: Währungen, Volumen, Rabatte. Im Vorjahr hatte die Währungsseite mit 1 Mrd. Euro operativ belastet. Im ersten Halbjahr lief bereits wieder ein Währungsminus von 400 Mill. Euro auf, wobei allein China für eine gelbe Karte von 100 Mill. Euro gut war.
Unverändert stellt sich die Frage, warum Audi mit derselben Währungsexposition und kaum weniger Neuanläufen 550 Mill. Euro operativ reißt, während VW mit verhungerten 33 Mill. Euro daher kommt. Wie bei GM und Ford sähe es ohne das Finanzierungsgeschäft (510 Mill. Euro) zappenduster aus. Hinsichtlich der Volumensentwicklung hat VW in Europa und China die gleichgerichtete Erfahrung gemacht, dass bei Preissenkungen das Volumen recht schnell zurückgeholt werden kann. Für das Gesamtjahr ist jedenfalls die Absatzmarke von 5,1 Mill. Einheiten zentral entscheidend: Wird sie genommen, dreht sich das Ertragsbild zum Positiven. Wird sie verfehlt, müssen die Inlandswerke eine weitere Woche pausieren.
In den USA könnte VW vermutlich die Preise für die Auslaufmodelle Jetta und Passat noch so stark senken: Die Nachfrage nimmt reißaus. Hier steuert der Konzern auf ein Desaster zu. 1 Mrd. Euro Verlust sind durchaus realistisch. Der mit dem New Beetle erreichte Sympathiegewinn konnte nicht gerettet werden. Apropos Sympathie: Die fehlt VW auch an den Finanzmärkten.
(Börsen-Zeitung, 24.7.2004)
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