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Börsen-Zeitung: Kommentar zum IPO-Jahr 2004 von Walther Becker: Heilsame IPO-Absagen

Frankfurt (ots)

Vorausgesetzt, es kommt nicht noch ein Kandidat
wie Ziethen aus dem Busch – das IPO-Jahr ist zu Ende. Verglichen mit
2003, als es keinen einzigen Börsengang gab, verdient der Turnus mit
fünf neuen Emittenten das Prädikat „gut“. Gemessen an den Hoffnungen
– Investmentbanker träumten von 20 Going Publics – gibt es ein
„mangelhaft“. Mit Blick auf das Angebot an Aspiranten lautet die Note
„befriedigend“.
Mit Postbank und Wincor Nixdorf haben immerhin zwei Mittelgewichte
das Angebot bereichert. Und drei kleine Werte – Mifa, Epigenomics und
Inticom – verlängerten den Kurszettel. Postbank und Wincor, die beide
in den MDax aufrückten, machen den Investoren Spaß: Das
Retailinstitut hat 18% zugelegt, der Geldautomatenhersteller spuckt
ein Plus von 32% aus.
Aufatmen können Investoren auch aus einem weiteren Grund. Denn so
mancher Kelch ist an ihnen vorübergegangen. Man stelle sich vor, X-
Fab-Aktien zu besitzen oder Siltronic zu haben! Glücklich können sich
die Anleger schätzen, dass Lanxess als Spin-off an die Bayer-
Aktionäre ohne öffentliches Angebot verteilt wird. Denn was Bayer bei
der Neuordnung – die Guten ins eigene Töpfchen, die Schlechten ins
Lanxess-Kröpfchen – aussortierte, wäre ein misslungener IPO- Aspirant
gewesen. Ein falsches Spiel haben die Altgesellschafter von Tank &
Rast gespielt. Hier wurde die IPO-Mär dazu missbraucht, den Preis bei
Finanzinvestoren zu treiben. Gut, dass das Franchise- System den
Anlegern erspart bleibt. Siltronic? Outet sich ein halbes Jahr später
als Sanierungsfall. Zur Erinnerung: 1,1 Mrd. Euro wollte man am Markt
lockermachen. Einzig mit dem Rückzieher von Hapag-Lloyd mag den
Anlegern ein lukratives Investment durch die Lappen gegangen sein.
Man kann die „Geiz-ist-geil“-Haltung der Publikumsfonds bedauern –
Unrecht haben deren Manager nicht. So wäre der Postbank-Kursgewinn
heute deutlich bescheidener, wenn sich Post-Chef Klaus Zumwinkel mit
seiner Preisvorstellung im Sommer durchgesetzt hätte. Was der Markt
nicht braucht, sind überteuerte Börsengänge, weil Finanzinvestoren
Kasse machen wollen, um bei ihren Institutionellen zu glänzen. Die
IPO-Aspiranten Grohe oder ATU waren nur deshalb in einem Secondary zu
bezahlen, weil Private Equity primär mit Fremdkapital finanziert, das
ihnen Banken hinterherwerfen. Was der Markt braucht, ist markgerechte
Preisgestaltung für profitable Firmen, die den Nachweis erfolgreich
bewältigter Zyklen führen; denen stetig Cash zufließt und die eine
überdurchschnittliche Dividende in Aussicht stellen können. Wer
diesen Wunschzettel abhaken kann, wird auch Privatanleger locken.
Damit würde 2005 ein noch besseres IPO-Jahr.
(Börsen-Zeitung, 20.11.2004)
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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