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Börsen-Zeitung: Kommentar von Bernd Wittkowski zum Beziehungsgeflecht zwischen Abgeordneten und ihren bisherigen Arbeitgebern: Der „Fall“ Hildegard Müller

Frankfurt (ots)

Deutschland wäre arm dran, würde man die Politik
allein Gewerkschaftern und Beamten überlassen. Parteien, Parlamente
und Regierungen brauchen dringend mehr wirtschaftlichen Sachverstand.
Denn „auf die Wirtschaft kommt es an, Trottel“, wie wir nicht erst
1992 von Bill Clinton („It’s the economy, stupid“) gelernt haben
sollten. Wenn also aus Trägern ökonomischen Know-hows politische
Mandatsträger werden, ist das zu begrüßen. Es ist auch nicht
prinzipiell verwerflich, wenn Abgeordnete zum bisherigen Arbeitgeber
in Verbindung bleiben, und sei es durch eine Nebentätigkeit. Das
liegt nicht nur im Interesse desjenigen, der vielleicht an seine Zeit
nach der Politik denken muss, sondern es dient vor allem der
Aufrechterhaltung des Wissenstransfers aus der Wirtschaft in die
Parlamente.
Indes ist hier die Gefahr des Interessenkonflikts flagrant. Der
Abgeordnete muss unabhängig sein. Übt er zugleich eine andere
bezahlte Tätigkeit aus, kann das Risiko einer Abhängigkeit vom oder
einer allzu großen Nähe zum Arbeit- bzw. Auftraggeber nicht von
vornherein ausgeschlossen werden. Daher sind solche Nebenjobs an enge
Voraussetzungen zu knüpfen: Vor allem hat das Verhältnis von Leistung
und Gegenleistung ausgewogen zu sein, das politische Amt darf durch
andere Verpflichtungen nicht zu kurz kommen, nicht zuletzt muss das
Beziehungsgeflecht transparent sein.
Im aktuellen „Fall“ muss die Bundestagsabgeordnete und Vertraute
von CDU-Chefin Angela Merkel, Hildegard Müller, rechtfertigen, dass
sie weiter in den Diensten der Dresdner Bank steht. Stimmen Leistung
und Gegenleistung? Müller sagt, sie sei für die Bank mit dem
Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche und der Erforschung der
Historie des Instituts befasst. Ihr tatsächlicher Einsatz für diese
Projekte ist von außen kaum zu beurteilen. Daran arbeiten aber
zumindest teilweise auch Bankexterne. Sollten die von Müllers
Mitarbeit nichts wissen, hätten nicht nur die Abgeordnete und ihre
Parteichefin ein Problem, sondern auch die Bank. Kommt das politische
Amt zu kurz? Allem Anschein nach nicht. War die Sache transparent?
Ja. Müllers Karriere „Zwischen Bank und Bundestag“ war Anfang 2003
die Titelgeschichte in der öffentlich zugänglichen Firmenzeitschrift
„dresdner banker“. Dort konnte man lesen, dass Müller „einige Stunden
pro Woche“ für die Bank weiterarbeiten könne. So weit, so sauber.
(Börsen-Zeitung, 7.1.2005)
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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