Börsen-Zeitung: Seiferts Lektion, Kommentar von Claus Döring zur Aufsichtsratssitzung der Deutschen Börse
Frankfurt (ots)
Werner Seifert ist ein Spielverderber. Weder hat der Chef der Deutschen Börse in der Aufsichtsratssitzung den Bettel hingeworfen, noch hat er seinen Vertrag vorzeitig um weitere fünf Jahre verlängern lassen. Dabei hätte es so wunderbar in die zuletzt geschürten Vorurteile über die Corporate Governance bei der Deutschen Börse AG gepasst. Doch Seifert stiehlt sich nicht mit dem goldenen Handschlag aus der Verantwortung. Er wird seine London- Strategie einschließlich Rückzieher vor den Aktionären ebenso rechtfertigen, wie er es gestern vor dem Aufsichtsrat getan hat und dafür einmütig Unterstützung fand. Sollten die Aktionäre in der HV am 25. Mai Veränderungen im Aufsichtsrat durchsetzen, müssen die gewählten Aktionärsvertreter entscheiden, ob sie ihr Unternehmen weiterhin von Seifert führen lassen wollen, beziehungsweise wird es Seiferts Entscheidung sein, ob er dann noch als Vorstandschef zur Verfügung steht. Bis dahin aber gibt es keinen Anlass für irgendwelche Personalentscheidungen.
Rolf-E. Breuer als Aufsichtsratsvorsitzender wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, hätte er Seifert in der gegenwärtigen Situation einen neuen Fünfjahresvertrag angeboten. Gewiss, solche Tricksereien zur Selbstbereicherung bei drohendem Rauswurf hat es bei anderen namhaften Gesellschaften schon gegeben. Selbst wenn die vorzeitige Vertragsverlängerung nach dem Aktiengesetz korrekt wären, worüber sich die Gelehrten streiten, könnte es am eklatanten Verstoß gegen gute Corporate Governance keine Zweifel geben. Die Deutsche Börse, mit dem Anspruch des Musterknaben in Sachen Corporate Governance, hätte ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Immerhin hatte der Vorstand dem Widerstand der Aktionäre gegen die LSE-Offerte Rechnung getragen, sobald er die Kapitalmehrheit nicht mehr sicher hinter sich wusste. Mit welcher Begründung hätte man die nicht weniger umstrittene Frage der künftigen personellen Führung der Börse präjudizieren wollen?
Die Interessen der Aktionäre nicht beachtet, vielleicht auch nicht gekannt zu haben war der eigentliche Fehler von Werner Seifert beim gescheiterten Versuch der LSE-Übernahme. Jetzt will er bei den Anteilseignern für das alternative Konzept des weniger spektakulären Wachstums und der Kapitalauskehrung werben. Es scheint, als habe Seifert eine Lektion gelernt: Investor Relations ist Chefsache.
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