Börsen-Zeitung: Regelt die Regulierung! Kommentar zur Überegulierung am Kapitalmarkt von Michael Flämig
Frankfurt (ots)
Die Klage über eine Überregulierung gehört zum Standardrepertoire jedes Regulierten. Schließlich schränken Regeln die eigene Aktionsfreiheit ein. Allzu gerne wird dabei übersehen, dass derartige Zwänge für eine sinnvolle Ordnung sorgen können und dass sie Optionen für Dritte entstehen lassen. Dies gilt auch am Kapitalmarkt. Erst die Pflicht zur Emittenten-Transparenz beispielsweise gibt Investoren die Möglichkeit zur rationalen Wahl zwischen Anlagealternativen. Regulierung schafft Vertrauen.
Die Überregulierungsklage will dennoch nicht verstummen. Insbesondere die Emittenten haben sie als Nachfolger des Kaufmanns in ihren Lied-Schatz aufgenommen. Bürokratismus und Bevormundung ersticke jede Bereitschaft zur dynamischen Expansion etwa durch einen Börsengang, war schon in den neunziger Jahren zu hören. Wenig später entlarvte der IPO-Boom derartige Einwürfe als engstirnige Egoismen. Emittenten stoßen daher heutzutage verständlicher Weise auf taube Ohren, wenn sie über neue Gesetze stöhnen.
In jüngerer Zeit allerdings lohnt es sich, etwas genauer hinzuhören. Denn das Klagelied der Emittenten findet ein zustimmendes Echo bei den Investoren die eigentlich von der Regulierung profitieren sollten. Erstes Beispiel: das Anlegerschutzverbesserungsgesetz. Die Veröffentlichungspflichten sorgen für Unverständnis bei Emittenten und Anlegern gleichermaßen. Zweites Beispiel: die Prospekt- Richtlinie. Die drohende Aufgabe dieses Preisfindungsverfahrens bei Emissionen kritisieren die Fondsgesellschaften, es stößt auch auf Emittentenseite auf Ablehnung. Drittes Beispiel: Die neue Transparenzrichtlinie. Sie will die europaweit gleichzeitige Veröffentlichung von Unternehmensnachrichten erreichen in der Informationsflut droht jeder Privatanleger endgültig unterzugehen.
Eine Regulierung kann sinnvoll sein, selbst wenn Emittenten sie als Belastung empfinden. Doch es ist ein Alarmsignal, wenn die zu schützenden Investoren sich angesichts neuer Vorschriften kopfschüttelnd abwenden und zugleich potentielle Börsen-Kandidaten vor dem Going Public zurückschrecken. Der Vorstoß der Börse München, ein Segment mit abgespecktem Regelwerk einzurichten, ist eine begrüßenswerte Reaktion auf diese Entwicklung. Eine Lösung für den gesamten Kapitalmarkt muss jedoch an den Spielregeln für alle ansetzen: Regelt die Regulierung!
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