Börsen-Zeitung: VWs Dilemma, Kommentar von Gottfried Mehner zu den Eisparungen bei VW
Frankfurt (ots)
Das scheint die neue Arbeitsteilung in Wolfsburg zu sein: Wolfgang Bernhard kümmert sich um den täglichen Kostennahkampf und Bernd Pischetsrieder markiert den Elder-Konzern-Statesman. Die ersten Erfolge kann Bernhard schon verbuchen: Der geplante neue Off Roader auf Golf-Basis mit dem Code-Namen Marrakesch der kleine Bruder des Touareg kann plötzlich 2000 Euro günstiger als geplant hergestellt werden. Dies addiert sich bei VW zu Einsparungen in gewaltiger Größenordnung.
Auch Pischetsrieder konnte zuletzt deutlich punkten. Das war aber nicht so sehr auf die eigene Leistung, sondern auf die Höherbewertung des Dollar zurückzuführen. VW konnte dadurch zu vergleichsweise günstigen Konditionen eine Nacheindeckung durchziehen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass in der Region Nordamerika am Jahresende wieder eine Milliardenlücke klafft, hat sich aus derzeitiger Sicht deutlich reduziert.
Die Reaktion kam postwendend: JPMorgan setzte die Ertragserwartungen für den größten europäischen Konzern in diesem Jahr auf Basis der unterstellten Euro-Austauschrelation von 1,25 (zuvor 1,30) Dollar gleich um 17% nach oben und für 2006 immerhin noch um 10%. Durch das Umschaufeln von mehr und vor allem neuerem Produktionsvolumen ins mexikanische Werk Puebla wird der Konzern zudem seine natürliche Währungssicherung verbessern. Die Problematik bei dem an den Dollar gebundenen Renminbi wird durch einen stärkeren Komponentenbezug in China entschärft.
Dies alles ermöglicht einen wichtigen Zeitgewinn für die unverändert nicht gelöste Aufgabe, dass der Konzern die größten Kapazitäten gerade dort vorhält, wo es absehbar kein Wachstum mehr geben wird, nämlich in Westeuropa. Durch die Mischkalkulation mit den kostengünstigeren Auslandsstandorten, aber auch durch das massive Abwälzen der Probleme auf die Zulieferer werden die Auswirkungen moderiert.
Aber der aktuelle Hickhack um das neue Arbeitszeitmodell eigentlich fest im vergangenen Herbst als Gegenleistung für die bis 2011 zugesagte Beschäftigungsgarantie vereinbart zeigt, wie es mit den wirklichen Flexibilitäten bestellt ist. Man müsse exportfähig bleiben, macht Pischetsrieder Druck. Er sprach von einer harten Logik. Die reicht nicht. Den Bad Guy kann jetzt Bernhard spielen.
(Börsen-Zeitung, 18.6.2005)
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