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Börsen-Zeitung: Jagdzeit in Ludwigshafen, Leitartikel von Sabine Wadewitz zum feindlichen Übernahmeversuch der BASF bei der US-Spezialchemiefirma Engelhard

Frankfurt (ots)

Die BASF überrascht die Märkte zum Jahreswechsel
mit ausgeprägtem Jagdfieber. Wurde vor kurzem aktiv das
Bauchemiegeschäft des Wettbewerbers Degussa ins Visier genommen,
pirscht sich der weltgrößte Chemiekonzern nun außerdem an die
US-amerikanische Spezialchemiefirma Engelhard heran. Der Hunger ist
so groß, dass die Ludwigshafener sich sogar auf das Wagnis einer
feindlichen Übernahme einlassen. Eine Praxis, die bislang nicht nur
in der Pfalz unbekannt war, sondern von der europäische Konzerne auf
dem weltgrößten Kapitalmarkt generell eher Abstand nehmen. Doch
kämpferisch und beharrlich zeigt sich die BASF auch in anderen
Disziplinen.
Auch wenn das Management die beiden bedeutenden Übernahmen als
mittelgroße Engagements herunterspielt, die Expeditionen in
Düsseldorf und New Jersey bedeuten einen Strategiewechsel in der
Wachstumspolitik. Zumindest nach außen wurde bislang suggeriert, dass
zunächst die interne Stärkung des operativen Geschäfts Priorität habe
und die Gruppe alles andere als auf der Suche nach größeren Zukäufen
sei. Das Portfolio wurde seit geraumer Zeit durchforstet, der Konzern
trennte sich von weniger rentablen Aktivitäten wie Druckfarben oder
Polyolefinen (Basell) und startete ein Kostensenkungsprogramm nach
dem anderen, um endlich wieder die Kapitalkosten zu verdienen. In den
vergangenen Jahren standen denn auch allenfalls kleinere Erwerbe auf
dem Programm. Extern verstärkt wurde zuletzt in kleinen Schritten das
Geschäft mit technischen Kunststoffen. Größter Deal im vergangenen
Jahr war die Übernahme der Elektronikchemikalien der Darmstädter
Merck für 270 Mill. Euro, um in dem Segment die eigene Position zu
stärken. Seit der einst größten Akquisition, dem Erwerb des
Pflanzenschutzgeschäfts Cyanamid für 3,8 Mrd. Dollar vor fünf Jahren,
war dem Konzern keine vergleichbare Beute mehr ins Netz gegangen.
Mit der im Markt mit einem Preis von bis zu 2,5 Mrd. Euro
bewerteten Degussa-Bauchemie und der 5 Mrd. Dollar schweren
unfreundlichen Offerte für Engelhard setzt das Management neue
Maßstäbe. Der Erwerb in den USA wäre immerhin der größte Zukauf in
der Firmengeschichte. Für die BASF-Aktionäre ist die neue
strategische Kreativität generell positiv zu beurteilen. Denn zuletzt
sah es so aus, als wisse man in Ludwigshafen mit dem reich strömenden
Cash-flow wenig mehr anzufangen als Aktienrückkäufe, Dividenden und
die Finanzierung von Pensionsverpflichtungen. Der neue
Investitionsdrang im Kerngeschäft zeugt von erwachtem operativem
Gestaltungswillen.
Ungeachtet der neuen Akquisitionsdimensionen würden die beiden
Transaktionen zusammen die mehr als üppig ausgestattete Bilanz der
BASF nicht großartig strapazieren. Der Konzern zeichnet sich durch
einen hohen Cash-flow und eine niedrige Finanzverschuldung aus. Die
Summe wäre, wie im Fall Engelhard angekündigt, ohne externe
Unterstützung zu schultern. Positives Signal an die Aktionäre ist
zudem die Ankündigung des Vorstands, am Ziel festzuhalten, jedes Jahr
die Dividende zu erhöhen und auch den Aktienrückkauf nicht
vernachlässigen zu wollen.
Mit dem Griff nach Engelhard zielt die BASF auf eine Erweiterung
des Portfolios in einem wachstumsstarken Markt. Vor allem die
Aktivitäten mit Abgaskatalysatoren für Automobile, wo die US-Firma
vor dem Konkurrenten Johnson Matthey führend ist, versprechen
dynamische Steigerungen in einem weitgehend konjunkturresistenten
Umfeld. Für die von gesetzlichen Umweltauflagen getriebene Sparte
wird ein nachhaltiges Marktwachstum von mehr als 5% prognostiziert,
was in der Chemie durchaus beachtlich ist. Das Geschäft der Engelhard
ist hochrentabel und weltweit verankert. Für BASF ergibt sich nicht
nur der Einstieg in ein attraktives Spezialchemiesegment, das
Unternehmen kann sein Sortiment für die Automobilindustrie als eine
der wichtigsten Kundengruppen deutlich verbreitern. Auch das von
Engelhard betriebene Geschäft mit Katalysatoren für Raffinerien und
chemische Prozesse bietet eine attraktive Ergänzung für BASF und
Wachstumschancen angesichts neuer Anlagen in der Branche. Mehr als
Beiwerk ist das Pigmentgeschäft der US-Firma zu sehen, denn hier ist
BASF selbst nennenswert präsent.
Mit der Übernahme von Engelhard ergibt sich kein Quantensprung für
den Chemiekonzern. Das Objekt der Begierde erreicht Renditen, die im
Rahmen der bisherigen Performance im Konzern liegen. Das Gleiche gilt
für die Degussa-Bauchemie. Die US-Akquisition soll im ersten Jahr
positiv zum Ergebnis beitragen. Auch wenn noch wenig über Synergien
gesprochen wird, ist zu erwarten, dass BASF die neuen Aktivitäten
genauso intensiv wie das bisherige Geschäft auf Performance trimmen
wird. Damit dürfen sich die Aktionäre weiterhin auf kontinuierliche
Ertragssteigerungen einstellen. Bedenklich muss allenfalls stimmen,
dass die BASF gerade in den USA in der Vergangenheit eher glücklos
und mit unbefriedigenden Erträgen operiert hat. Zunächst aber müssen
die US-amerikanischen Aktionäre überhaupt erst eingefangen werden.
Dann kann den Anteilseignern der Braten serviert werden.
(Börsen-Zeitung, 5.1.2006)

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