Börsen-Zeitung: Ein sanfter Falke, Kommentar zum Debüt des neuen US-Notenbankchefs Ben Bernanke von Andreas Cleis
Frankfurt (ots)
Ben Bernanke hat die Finanzmärkte mit seinem Auftritt vor dem US- Kongress am Mittwoch nicht zum Erschüttern gebracht. Die erste Rechenschaftsablage des neuen US-Notenbank-Chefs vor dem Finanzausschuss des Repräsentantenhauses war an den Finanzmärkten seit Tagen mit Spannung und zunehmender Nervosität erwartet worden. Für die meisten Beobachter stand fest, dass sich der Nachfolger von Alan Greenspan möglichst rasch als entschlossener Verfechter der Preisstabilität etablieren musste.
Vielfach war allerdings befürchtet worden, dass Bernanke in seiner Profilierungsnot als Inflations-Falke übertreiben und im Übereifer zu viel an der Zinsschraube drehen könnte. Diese Sorge scheint Bernanke fürs Erste zerstreut zu haben. Sein Auftritt war ruhig, seine Aussage dezidiert und weit verständlicher als Greenspans oft verschnörkelten und undurchsichtigen Ausführungen. In der Sache schien er sich von seinem Vorgänger aber wenig zu unterscheiden. Mit der allgemeinen Einschätzung der Wirtschaftslage, wie sie am letzten Treffen des Offenmarktausschusses noch ohne sein Beisein vorgenommen wurde, stimmt Bernanke voll überein. Dass die Herbeiführung und Wahrung von Preisstabilität erste Aufgabe der Notenbank ist, steht für ihn außer Diskussion. Daneben seien selbstverständlich auch andere wichtige Faktoren sorgfältig im Auge zu behalten, nicht zuletzt die Entwicklung am Häusermarkt.
Bernanke ließ überhaupt nicht den Eindruck aufkommen, er sei ein Lakai der Regierung und lasse sich von dieser gegebenenfalls unter Druck setzen, eine akkommodierende Geldpolitik zu betreiben. Im Frage-und-Antwort-Spiel mit den Parlamentariern erwies sich der neue Fed-Chef als kühler Pragmatiker. Seine Aussagen lassen wenig Zweifel offen, dass noch eine oder vielleicht auch zwei Anpassungen des Leitzinses nötig sein werden. Bernanke stimmt mit den meisten Volkswirten überein, dass die US-Wirtschaft nach dem schwachen Schlussquartal 2005 wieder an Schwung gewonnen hat und die Gefahr eines verstärkten Inflationsdrucks damit zumindest tendenziell zugenommen hat. Auf die Frage, wie weit die Straffung der monetären Zügel gehen werde, wollte sich Bernanke nicht einlassen. Darüber könne man erst entscheiden, wenn neue Wirtschaftsdaten vorlägen, sagte er nur.
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