Boersen-Zeitung: Der neue EZB-Rhythmus, Kommentar zur avisierten Leitzinserhöhung von Jürgen Schaaf
Frankfurt (ots)
Jetzt ist es raus: Die Europäische Zentralbank (EZB) wird bereits am 3. August den Leitzins weiter anheben. In den vergangenen Wochen wurde trefflich darüber gestritten, ob die Notenbank ihren nächsten Schritt im Prozess der Normalisierung des Zinsniveaus bereits Anfang oder erst Ende August vollziehen wird. Nun hat der Präsident der Notenbank, Jean-Claude Trichet, nach der Sitzung des EZB-Rats klare Signale ausgesandt: Die EZB lässt "große Wachsamkeit" walten, der Rat berät sich am 3. August nicht wie ursprünglich geplant über eine Telefonkonferenz, sondern die Mitglieder treffen sich persönlich in Frankfurt, und in der gestrigen Ratssitzung wurde nicht erwogen, den für den Euroraum maßgeblichen Zins um 50 Basispunkte anzuheben.
Ohne sich im Vorhinein definitiv und explizit festzulegen, ist die Botschaft klar: Die Währungshüter beschleunigen den Straffungskurs, die "Falken" haben sich durchgesetzt. Denn als einmalige Maßnahme wäre das Vorziehen des Zinsschritts um etwa einen Monat ziemlich wirkungslos. Wichtiger ist, dass die Notenbank das Intervall der Zinsstraffung von bisher drei Monate wohl auf zwei Monate verkürzt. In diesem Rhythmus wird der Leitzins Ende des Jahres bei 3,5% liegen.
Die Sorgen der Notenbank nehmen offenbar zu, mit der Konjunkturerholung nicht Schritt halten zu können. Der Aufschwung in der Eurozone ist da. Das beschwören alle Indikatoren. Aber die Liquiditätsversorgung der Wirtschaft ist immer noch überreichlich.
Es ist also in der Tat an der Zeit, die konjunkturelle Unterstützung aus dem Kurs der Geldpolitik zu nehmen. Allerdings hat die EZB hierfür ein wichtiges Instrument ihrer Kommunikation geopfert. Bislang erhöhte die Notenbank die Zinsen zeitgleich mit der Veröffentlichung ihrer Inflationsprognosen, also quartalsweise. Diese eigenen Daten gaben dem Zinsentscheid ein starkes Fundament. Und umgekehrt wurde die Analyse der eigenen Volkswirte aufgewertet. Damit ist es aber nun - vorerst - vorbei.
Es ist zu begrüßen, dass die EZB offenkundig beherzt gegen Inflationsrisiken angeht. Wenn diese zunehmen, wird auch stärker auf die Bremse getreten. Bedauerlich dagegen ist, dass auch zukünftig mit überraschenden Klarstellungen aus dem Hause Trichet zu rechnen ist. Der Berechenbarkeit der Geldpolitik ist dies abträglich.
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