Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 19. Januar 2011 den vom Verfassungsgericht gestoppten Nachtragshaushalt für Nordrhein-Westfalen:
Bremen (ots)
Gegen die Wand
von Joerg Helge Wagner
Drohen uns nun gar acht Landtagswahlen im laufenden Jahr? Zumindest wäre die Achte mal eine, der die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht mit Bangen entgegensehen müsste. Im Gegenteil: Merkel, Westerwelle und Seehofer dürften berechtigte Hoffnung hegen, mit einem außerplanmäßigen Urnengang in NRW die verlorene Bundesratsmehrheit zurückzuerobern, denn alle Umfragewerte für das bevölkerungsreichste Bundesland sind seit gestern Makulatur. Ausgerechnet die in NRW mitregierenden Grünen hatten ja schon von vorgezogenen Neuwahlen gesprochen, falls der Nachtragshaushalt samt Rekord-Neuverschuldung juristisch verhindert werde - und danach sieht es nun aus. Doch noch halten sich Konservative und Liberale, die im Düsseldorfer Landtag in der Opposition sind, mit entsprechenden Forderungen zurück - und das hat seine Gründe. Zunächst ist es schlicht politisch klug, nach der einstweiligen Anordnung auch die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die aber fällt erst am 15. Februar. Die Opposition kann also noch wochenlang ganz entspannt zusehen, wie sich die Regierung abmüht, ohne Etat und ohne Parlamentsmehrheit ihre Wahlversprechen einzulösen. Neue Kredite auf Basis des Nachtragshaushaltes darf sie nämlich nicht mehr aufnehmen. Bei den Wählern steht sie aber im Wort, etwa mit der Abschaffung der Studiengebühren - das belastet den Etat pro Jahr mit rund 250 Millionen Euro. Und die Linke, die dem Etat in einer chaotischen Abstimmung die absolute Mehrheit verschafft hat, erwartet auch noch den Verzicht auf jeglichen Personalabbau im Öffentlichen Dienst - die Personalkosten machen aber schon 44 Prozent des Landeshaushalts aus. Diese Fallen hat Rot-Grün sich selbst gestellt. Dass bei CDU und FDP die Schadenfreude nicht überschäumt, liegt wohl an der Erkenntnis, dass man auch selbst den Nachfolgern einige Erblasten hinterlassen hat. Die Entschädigung der Kommunen durch das Land für den Kita-Ausbau etwa: Die hatte im Oktober ebenfalls das Landesverfassungsgericht verfügt. Dieser Zwei-Milliarden-Brocken, der bis 2013 zu stemmen ist, rührt freilich noch aus Zeiten der schwarz-gelben Regierung, die sich gegenüber den Nöten der Kommunen schlicht taub stellte. Und das auslösende Bundesgesetz hatte zuvor die Große Koalition in Berlin erlassen - wobei die SPD nicht als Bremser aufgefallen ist, ging es doch um eine soziale Wohltat. Auch das 1,3 Milliarden Euro schwere "Sondervermögen" zur Rettung der maroden Landesbank WestLB ist keine Erfindung des amtierenden Finanzministers Walter Borjans, sondern seines CDU-Vorgängers Helmut Linssen. Und es ist ebenfalls ein CDU-Promi, der als Verkaufsbeauftragter für die WestLB händeringend neue Eigentümer sucht: der Anwalt Friedrich Merz. Dessen Job würde ohne das Sondervermögen sicher nicht einfacher. So weit, so traurig. Fakt ist aber eben auch, dass die neuen Schulden, die Rot-Grün machen wollte, über den Investitionen lagen und damit die Kreditverfassungsgrenze verletzten. Man ist mit Vorsatz gegen die Wand gefahren. Das wird sich auch am 15. Februar nicht anders darstellen - und nach der juristischen Klarstellung ist die politische Frage zu beantworten, wie man so in neun Jahren die Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse erfüllen will. Ein Lehrstück für Bremen? Natürlich, auch für die Opposition. Ein Normenkontrollverfahren zum Landeshaushalt könnte auch aus der Bürgerschaft beantragt werden, ein Fünftel der gesetzlichen Mitglieder reicht dafür aus - das würden CDU und FDP ja noch zusammenbekommen, wenn sie denn wollten. joerg-helge.wagner@weser-kurier.de
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