Weser-Kurier: Kommentar zu den Plädoyers im Fall Breivik
Bremen (ots)
Es gibt keinen Zweifel: Der Mann ist krank. Wahnsinnig. Und brandgefährlich. Ein Indiz für Breiviks Unzurechnungsfähigkeit ist, dass er unbedingt als zurechnungsfähig verurteilt werden will. Seinem kranken Hirn ist nichts wichtiger als als politischer Attentäter in die Geschichte einzugehen. Und das muss verhindert werden. Auch um den Preis, dass ein solches Urteil Breivik von Schuld freispräche: Wer verrückt ist, kann seine Taten nicht verantworten. Die Volksseele sehnt sich nach Gerechtigkeit und nach simplen Prinzipien: Schuld und Buße, Strafe, Sühne und Reue. Doch die Strafjustiz funktioniert anders. Dort herrscht der Paragraf, nicht die Moral. Breiviks Tat ist monströs. Noch monströser ist sein Verhalten vor Gericht. Doch auf Monstrositäten hat die Gesellschaft keine Antwort. Das gilt auch für andere Taten, die unbegreiflich sind. Für junge Männer, die ihre Opfer, wenn sie schon bewusstlos am Boden liegen, weiter treten, blutig treten, tot treten. Für Eltern, die ihre Kinder grün und blau schlagen, verdrecken und verhungern lassen. Man muss sich fragen, was das für Menschen sind. Ob es noch Menschen sind. Oder wie krank man sein muss, wenn man kein Mitleid empfinden kann und keine Gnade. Wie krank? Oder muss die Frage lauten: wie böse? Die zivilisierte Welt tut sich mit dem Begriff des Bösen schwer. Beseelt ist sie vom Glauben an das Gute im Menschen, das sich niemals grundlos ins Gegenteil verkehrt. Sondern durch Traumata, durch Defekte, durch Krankheit. Da ist sicher viel Wahres dran. Aber es gibt auch das Böse, zumindest das Antisoziale. Menschen, denen die Werte abhanden gekommen sind und der Halt. Es scheint als produziere diese Gesellschaft immer mehr Männer und Frauen, die buchstäblich nicht sozialisiert sind, die nicht in einer Gemeinschaft leben können und dürfen. Eben Antisoziale - wie Breivik. Auch wenn es die Angehörigen schmerzen muss, wenn Breivik als Kranker, mithin nicht schuldfähig den Gerichtssaal verlassen wird: Entscheidend ist letztlich nicht, ob er ins Gefängnis oder in die Psychiatrie gesperrt wird. Entscheidend ist, ob die Gesellschaft eine Antwort findet auf Menschen wie Breivik, die irgendwann und irgendwie zu Monstern wurden. Unbemerkt.
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