Weser-Kurier: Über die Beobachtung eines niedersächsischen Grünen-Politikers durch den Verfassungsschutz schreibt der "Weser-Kurier" in seiner Ausgabe vom 1. August:
Bremen (ots)
Man kann sicher trefflich darüber streiten, ob sich die Bundesländer jeweils noch einen Verfassungsschutz leisten sollen. Natürlich gilt es, gefährliche Feinde von Freiheit und Demokratie frühzeitig zu erkennen und auch entschieden zu bekämpfen. Aber dann muss dies auch tatsächlich geschehen, dann dürfen die Schlapphüte nicht wegsehen oder auf ihren Erkenntnissen sitzen bleiben. Im Aufspüren und bei der Verfolgung des rechten Terrornetzwerkes NSU jedenfalls haben die Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern schwer versagt. Dafür scheint der Inlandsgeheimdienst seine Kräfte manchmal für Banalitäten zu verausgaben. Jüngstes Beispiel in Niedersachsen: Das Landesamt führt eine dicke Akte über den grünen Jung-Politiker Jan Wienken aus Vechta. Ein schlimmer Linksextremist sei dieser, behauptet der Verfassungsschutz und zählt drei Vorfälle auf: Einer, der mit sechs Jahren weit in die Schülerzeiten des Landtagskandidaten zurückreicht; einer, für den er offensichtlich ein wasserdichtes Alibi hat. Der dritte betrifft die illegale Besetzung eines Bauplatzes im Rahmen einer Demonstration. Das wirkt alles etwas zu dürftig, um eine jahrelange Überwachung zu rechtfertigen. Man habe noch viel mehr und gravierendere Erkenntnisse, erwidert der Dienst, könne diese aber aus Geheimhaltungsgründen nicht offenbaren. Richtig nachvollziehbar klingt dies nicht. Es drängt sich hier vielmehr der Eindruck auf, das dem CDU-Innenministerium unterstellte Amt schieße aus parteipolitischen Gründen mit Kanonen auf Spatzen - wie schon bei den Mitgliedern der linken Landtagsfraktion. Ansichten und Aktivitäten Wienkens mögen vielleicht radikal erscheinen. Den Bestand der Bundesrepublik und des Landes Niedersachsen gefährden sie aber keineswegs. Mit seiner Überwachung riskiert der Verfassungsschutz nur, einen grünen Nachwuchspolitiker um Märtyrer zu machen.
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