Weser-Kurier: Die Debatte um Volksabstimmungen kommentiert der Bremer "Weser-Kurier" in seiner Ausgabe vom 11. August:
Bremen (ots)
Wolfgang Schäuble hat den Vorreiter gemacht, SPD-Chef Sigmar Gabriel hat den Gedanken aufgegriffen, nun haben auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle und CSU-Chef Horst Seehofer laut über die Frage nachgedacht, ob nicht schon bald eine Volksabstimmung über die Euro-Politik und somit über die politische Zukunft der EU unausweichlich ist. Damit ist innerhalb weniger Wochen, wenn auch zunächst mürrisch, die deutsche Politik auf die vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Euro-Urteilen aufgezeigten Grundlinien eingeschwenkt. Das hat wohl damit zu tun, dass sich die Erkenntnis Bahn bricht, dass auf Dauer immer neue hektische Debatten über immer neue finanztechnische Rettungsmechanismen die Euro-Krise nicht beenden können, sondern dass das nur eine Korrektur des Konstruktionsfehlers der Währungsgemeinschaft kann. Und das heißt eine engere Verzahnung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedsländer, um das wirtschaftliche Gefälle in der Euro-Zone mit all seinen finanziellen und sozialen Problemen nicht noch größer werden zu lassen. Und damit am Ende nicht mehr beherrschbar. Das aber bedeutet, dass Deutschland Gesetzgebungskompetenzen an Brüssel abgeben muss. Und das bedeutet, so hat es Verfassungsgerichtspräsident Voßkuhle stets betont, dass dies nur durch eine Änderung des Grundgesetzes geschehen dürfe, zu der das Volk befragt werden müsse. Wenn es so kommt, wird es spannend, weil die Politik in eine schwierige Gemenge-Lage gerät. Alle Meinungsumfragen zeigen nämlich, dass die Deutschen nicht mehr Europa wollen, sondern weniger Krise. Wenn also die Bundesbürger einer Verlagerung von Kompetenzen auf die europäische Ebene zustimmen sollen, wird noch viel Überzeugungsarbeit nötig sein. Das heißt, dass dem Volk gründlich erklärt werden muss, warum dies zur Rettung des Euro und zur Sicherung des Wohlstands, dieser Friedensdividende der europäischen Nachkriegsordnung, notwendig ist. Dann - spätestens - ist politische Erklärkunst gefordert. Der Verweis auf gute Umfragewerte wegen vermeintlich guten Krisenmanagements reicht dann nicht mehr.
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