Weser-Kurier: Über den Vertrauensverlust der Politik schreibt der Bremer WESER-KURIER:
Bremen (ots)
Kürzlich im Bus hat sich ein Mann sehr aufgeregt. Am liebsten würde er alle Politiker in einen großen Sack stecken und kräftig draufhauen. Viele andere Menschen in Deutschland führen beim Thema Politik zum Glück nicht ganz so schwere Geschütze auf. Wenig Vertrauen haben die meisten Deutschen dennoch zu ihren politischen Entscheidungsträgern. Und daran sind viele der Kritisierten dank etlicher leerer Versprechen, Realitätsferne, Eitelkeiten, Ratlosigkeit in der Euro-Krise oder gescheiterter Bauprojekte selbst Schuld. Viel schlimmer als das schwindende Vertrauen in Politiker ist allerdings die Tatsache, dass es heutzutage kaum noch jemand besser machen möchte. Jedenfalls nicht in einer Partei. Seit Jahrzehnten müssen gerade die großen Volksparteien hinnehmen, dass ihnen die Mitglieder abhanden kommen. Dass die Verantwortlichen diese Entwicklung meist mit dem hohen Alter ihrer Mitglieder begründen, greift zu kurz. Denn die meisten Parteien haben es verschlafen, vertrauenswürdige und attraktive Politik zu machen, bei der Menschen Lust bekommen, mitzuwirken. Die Strukturen der großen Parteien sind noch zu sehr verkrustet. Wer in eine Partei eintritt, muss sich meist erst mühsam durch etliche Gremien und Ausschüsse kämpfen, ehe er etwas bewirken oder werden kann. Und es scheint nicht mehr zeitgemäß zu sein, dass nur wer Mitglied einer Partei ist, überhaupt mitreden und -entscheiden darf. Die Parteien wären jedenfalls gut beraten, die Mitgliedspflicht zu lockern und ihre Abwehrhaltung gegenüber Quereinsteigern abzulegen. Damit reagierten sie sinnvoll auf die gesellschaftlichen Veränderungen und motivierten mehr Menschen zum Mitmachen. Andernfalls verschwenden die Parteien weiterhin ein großes Potenzial an klugen und politikinteressierten Köpfen. Wissenschaftler sagen, dass junge Menschen so engagiert sind wie nie zuvor. Und nur ein Bruchteil der Bevölkerung sieht das Organisationsmodell politische Partei grundsätzlich als nicht mehr zeitgemäß an. Diese Punkte sollten die Parteien optimistisch stimmen. Nun liegt es an ihnen, diese Chancen auch zu nutzen.
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