Weser-Kurier: Zum Thema Parteiausschlüsse schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 9. April 2013:
Bremen (ots)
Für die Bremer SPD ist der Bürgerschaftsabgeordnete Martin Korol zum Problem geworden. Mit provokanten Thesen hat er die Bremer Politik gegenüber einwandernden Sinti und Roma kritisiert. Der SPD-Landesvorstand hält Teile des umstrittenen Aufsatzes von Korol für "eindeutig rassistisch". Nun hat die SPD-Fraktion den 68-Jährigen rausgeworfen. Schon vor rund vier Wochen hatte der Vorstand zudem ein Parteiordnungsverfahren eingeleitet. Am Ende dieses Verfahrens könnte Korols Parteiausschluss stehen. Einfach ist das nicht. Das Parteiengesetz hat hohe Hürden gesetzt. Das ist gut so: So soll ausdrücklich die innerparteiliche Demokratie gestärkt werden. Nur wer gegen Satzung oder Grundsätze einer Partei verstößt oder es an Solidarität mangeln lässt, darf rausgeschmissen werden. Ausschlussverfahren sind daher selten. Einer der prominentester Fälle ist Thilo Sarrazin: Berlins ehemaliger Finanzsenator hatte im Buch "Deutschland schafft sich ab" die angeblich fehlende Integrationsbereitschaft von Muslimen mit drastischen Worten beschrieben. Das eingeleitete Ausschlussverfahren stoppte die SPD-Spitze - auch weil sie erkennen musste, dass Sarrazins Thesen in Teilen der Basis Unterstützung fanden. Doch bei allzu provokantem Verhalten kennen die Parteien kein Pardon: 1981 schließt die CSU den Friedensforscher Alfred Mechtersheimer aus, weil er gegen den NATO-Doppelbeschluss demonstriert. Jürgen Möllemann (FDP) trifft es, als er sich im Nahost-Konflikt mit den Palästinensern solidarisiert und Israel sowie den Zentralrat der Juden angreift. Ihm wird Antisemitismus vorgeworfen. Klarer liegt der Fall beim CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann, der 2003 die Juden als "Tätervolk" bezeichnet. Die Beispiele zeigen: Parteiausschlüsse dienen in der Regel nicht dazu, unliebsame Meinungen zu unterdrücken. Vielmehr - so wie jetzt in Bremen - versuchen die Parteien, nicht in den Strudel gezogen zu werden, den ein Einzelner durch eine radikale Äußerung oder abweichende Meinung ausgelöst hat. Weniger zimperlich sind die Parteien, wenn es Mitglieder an der innerparteilichen Solidarität fehlen lassen. Das muss selbst ein Spitzengenosse wie Wolfgang Clement erfahren, als er 2008 empfiehlt, Andrea Ypsilanti nicht zur hessischen Ministerpräsidentin zu wählen. Es gibt Rufe nach einem Ausschluss, schließlich gibt Clement sein Parteibuch im Groll zurück. Ähnlich macht es 2007 die CSU-Rebellin Gabriele Pauli. Mit ihrer Kritik an Edmund Stoiber bringt sie diesen zwar zu Fall - doch die Christsozialen ächten fortan die Landrätin. So sind Parteiverfahren auch ein Schwert der Basis gegen vermeintliche Verräter.
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