Weser-Kurier: Zur EU-Agrarreform schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 30. September 2013:
Bremen (ots)
Wie weit die europäische Agrarpolitik von der Realität in den landwirtschaftlichen Betrieben entfernt ist, zeigt der neuerliche Kompromiss. Mit einer Zusatzförderung will Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) die kleinen, bäuerlichen Betriebe fördern. Extra-Geld für die ersten 30 Hektar, aber wie viel verrät sie nicht. Dabei wollen Landwirte lieber heute als morgen der Bürokratie der Förderpolitik entfliehen. Eine neue, nationale Prämie brauchen sie nun wirklich nicht. Noch dazu bedeutet die Aignersche Sonderregelung eine Abspaltung von der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik und damit eine Wettbewerbsverzerrung auf einem durch und durch europäischen Markt. Das kann Deutschland als größter Nettozahler in der EU offenbar durchsetzen. Bringen tut es nichts. Wer die Überproduktion und damit den Preisverfall landwirtschaftlicher Produkte in Europa bekämpfen will, muss für eine gemeinsame Lösung streiten. Weg von immer neuen Subventionen, hin zu mehr Marktwirtschaft. Die Politik muss die Bauern langsam wieder in die Freiheit entlassen, denn letztlich fördert sie nicht die Landwirte, sondern Molkereien und Fleischindustrie. Die können den Erzeugerpreis nur deshalb drücken, weil die Bauern mit Subventionen aufstocken - wie Geringverdiener mit Hartz IV. Dabei würden Landwirte sicher viel lieber vom Verkauf ihrer Produkte leben - wie die Aufstocker von ihrer Arbeit. Am Ende ist die Förderpolitik ein gigantischer Geldverschiebebahnhof, den wir alle mit Steuern bezahlen. Gut klingt dagegen das "Greening", also die Bindung von 30 Prozent der EU-Agrarsubventionen an ökologische Auflagen. Aber wer garantiert eigentlich dafür, dass wirklich neue Grünstreifen entstehen oder nicht doch alte Schutzgebiete umdeklariert werden? Auch die Kürzung der Subventionen um fünf Prozent für Betriebe, die mehr als 150<ET>000 Euro im Jahr erhalten, macht nur Sinn, wenn diese sich auf dem Papier nicht einfach nur aufspalten und genauso viel bekommen wie vorher. Die EU-Agrarpolitik muss einfacher und damit gerechter werden. Denn je komplizierter der ausgehandelte Kompromiss, desto größter die Gefahr von Schlupflöchern in einer sich verselbstständigenden Bürokratie. Sie macht die Bauernverbände so unentbehrlich, dass der Organisationsgrad der Landwirte bei etwa 80 Prozent liegt.
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