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Weser-Kurier: Zum Schönheitswahn im Obst- und Gemüseregal schreibt der Bremer WESER-KURIER:

Bremen (ots)

Man wirft kein Essen weg, wurde der Nachkriegsgeneration stets und ständig eingebläut. Gut, die Zeiten sind zum Glück vorbei, aber der Appell hat nichts von seiner Gültigkeit verloren. Denn mittlerweile geht es nicht mehr nur um das angebissene Schulbrot, das doch heimlich im Papierkorb landete, sondern um rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel, die nach - oder sogar schon vor - dem Kauf auf dem Müll landen. Nur weil sie nicht so vollkommen makellos sind, wie uns die Werbung seit Jahrzehnten weismacht. Man muss nun gar nicht den Hunger auf der Welt bemühen, um den Schönheitswahn im Obstregal zu kritisieren. Sind die Äpfel deshalb schlechter, weil sie etwas fleckig sind? Nein, das bestätigen die Obstbauern, die für einen EU-Norm-Apfel bis zu viermal so viel kassieren, wie für den Handelsklasse-II-Zwilling: Geschmacklich sind sie nicht zu unterscheiden. Und selbst, wenn zweifellos das Auge mitisst - muss es sich denn dabei immer nach den Standards der EU-Bürokraten richten? Sicherlich brauchen wir auch im Handel und der Produktion von Lebensmitteln eine Normierung. Aber Natur ist schwer normierbar. Und vor allem, was ist die Norm? Das makellose oder das natürliche? Das Comeback der krummen Salatgurke haben EU-Binnenmarkt und Landwirtschaft schadlos überstanden und die Verbraucher sowieso. An kuriosen Wuchs werden wir uns auch gewöhnen. Und manche Exemplare schaffen es bestimmt in die Medien: die Mohrrübe mit zwei Armen oder der Kürbis, der einem Politiker ähnlich sieht. Wenn tatsächlich schon beinahe die Hälfte des produzierten Obstes und Gemüses gar nicht mehr in den Regalen landet, dann ist etwas faul. Daran ändert auch nichts, dass B-Äpfel zu Saft und fehlgewachsene Kartoffeln immerhin noch zu Tierfutter werden. Wenn im Handel etwa ein bis zwei Prozent des Gesamtumsatzes durch weggeworfene Lebensmittel verloren gehen, dann geht das auch ins Portemonnaie: Wir müssen das bezahlen. Jeder makellose Apfel kommt uns also teuer zu stehen.

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