Weser-Kurier: Zum Straßenbau mit Kopfsteinpflaster schreibt Silke Hellwig:
Bremen (ots)
Vielleicht ist es ein bisschen bösartig, bestimmt aber auch ein bisschen wahr: In Bremen kann man mitunter den Eindruck gewinnen, dass logischer Menschenverstand so ungefähr das Letzte ist, das in einer Debatte den Ausschlag geben darf. Nicht anders sind zumindest manche Diskussionen um die Sanierung von Straßen mit Kopfsteinpflaster zu verstehen, die in Bremen schon seit vielen Jahren Tradition haben. Nun ist es nicht so, dass die Befürworter - darunter beispielsweise Ortsbeiräte und Anwohner - keine guten Argumente hätten: Kopfsteinpflaster mache nicht nur was her, sondern sei auch eine Form des Denkmalschutzes. Absolut; deshalb gibt es in Bremen ein eigenes Kataster, das dazu dient, gewisse Pflasterstraßen vor Asphaltmaschinen zu schützen. Doch für alle Straßen, die dort nicht aufgeführt sind, muss in einer Stadt wie Bremen gelten: Vernunft vor Schönheit. Und Kopfsteinpflaster-Straßen sind ungefähr so vernünftig wie Stöckelschuhe - also gar nicht. Sie sind unpraktisch: Sie erzeugen mehr Lärm als Asphaltstraßen, und andernorts bemüht sich Bremen, Anwohner vor Verkehrslärm zu schützen. Als gefährlicher gelten Steinstraßen auch. Der ADFC will Asphalt, Menschen mit Rollatoren und Rollstühlen wollen Asphalt, Skater vermutlich auch. Alles das kann man selbstverständlich ignorieren oder - in der Abwägung - geringer schätzen. Doch da ist ja noch eine Kleinigkeit: Bremen ist seit mindestens 25 Jahren hoch verschuldet, inzwischen höchst verschuldet. Das alleine ist schon bitter, und man staunt, dass es in der Vergangenheit möglich war - wenngleich nach langen Diskussionen - die erheblichen Mehrkosten für Kopfsteinpflaster auf sich zu nehmen. Seit 2009 gibt es aber bekanntlich die Schuldenbremse, die Bund und Ländern mehr oder weniger deutlich verbietet, sich ungehemmt weiter zu verschulden. Dabei gibt es Ausnahmen wie Katastrophen und Konjunktureinbrüche. Ästhetische Ansprüche an Straßenbeläge gehören nicht dazu. Man mag (wie bei vielen ähnlichen Themen) einwenden, dass Bremens Finanznot ein Totschlagargument ist. Fürwahr, man kann die Finanzlage auch ignorieren, sich schicke Straßen leisten und - in Schönheit sterben.
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