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Weser-Kurier: Kommentar von Daniel Killy zur Großkundgebung in Berlin

Bremen (ots)

Es war eine machtvolle Manifestation von Demokratie und Solidarität mit Deutschlands Juden. So oder ähnlich wird es heute früh vielerorts zu lesen sein. Ein einzigartiges Bündnis von Linkspartei bis CSU hat schließlich die Großkundgebung am Sonntag in Berlin unterstützt. Konsens der Demokraten in Reinkultur<ET>.<ET>.<ET>. Kann sich die Republik also wieder wohlig entspannt zurücklehnen im Bewusstsein, doch "etwas getan", Flagge gezeigt zu haben? Die Antwort lautet nein. Als in den frühen 1990er-Jahren eine Welle rassistischer Gewalttaten (nicht nur) Ostdeutschland erschütterte, reagierte die deutsche Zivilgesellschaft mit spontanen Solidaritätsbekundungen für die Opfer. Übers ganze Land verteilt bildeten die Menschen Lichterketten, setzten ein weithin leuchtendes Zeichen für Menschlichkeit und Demokratie. Als in diesem Sommer Deutschland und seine Juden von einer Welle antisemitischen Hasses aus der Mitte der Gesellschaft getroffen wurden - passierte nichts. Bis der Zentralrat der Juden die Großkundgebung in eigener Sache organisierte; inklusive 40 Bussen, die Mitglieder jüdischer Gemeinden kostenfrei nach Berlin zur Demonstration bringen. Der Zentralrat der Juden zahlt also einen signifikanten Betrag dafür, Deutschland, seinen Bürgern und seiner politischen Klasse, Nachhilfe in Sachen Engagement und Demokratie zu geben. Die nichtjüdischen Deutschen hätten sich erheben und die Veranstaltung "Steh auf! Nie wieder Judenhass!" organisieren müssen. Dass nun Kanzlerin, Präsident und die politisch ernst zu nehmenden Parteien auf den Zug der Solidarität aufspringen, ist zwar zu begrüßen, zeigt aber gleichzeitig, wie weit eine wirkliche Integration deutscher Juden jenseits symbolischer Sonntagsreden noch von der Realität entfernt ist. Dass die Politik nur reagiert und nicht agiert, dass die Opfer der unsäglichen Attacken es sind, die sich gewissermaßen selbst helfen, entwertet die ganzen eindrucksvollen Bilder von der Berliner Veranstaltung gehörig. Antisemitismus gehört geächtet, wo auch immer und in welchem gesellschaftlichen Gewand er auftaucht - in Sprache und Alltag. Und zwar von jenen Menschen hierzulande, die nicht jüdischen Glaubens sind.

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