Weser-Kurier: Über Flüchtlingsbürokratie schreibt Silke Hellwig:
Bremen (ots)
Nach Expertenmeinung wird die Zuwanderung Deutschland grundlegend verändern - politisch, ökonomisch, sozial, kulturell, demografisch. Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück spricht "von der größten Herausforderung seit 1945". Es sind große Fragen, die beantwortet, große Räder, die bewegt werden müssen. Allerdings verhakt sich das System ganz offensichtlich schon, wenn an den kleinsten Rädchen gedreht wird, und die Bremer SPD-Fraktion zeigt sich besonders kleinkariert. Flüchtlingskinder an Privatschulen unterrichten? Geht nicht. Flüchtlingsunterkünfte einrichten, ohne Bauauflagen bis aufs Jota einzuhalten? Gibt's nicht. Zügig Arbeits-, Praktikums- oder Deutschkursusplätze vermitteln? Unmöglich. Deutsche Verordnungen und Vorschriften erschweren, was nötig wäre: geschmeidig auf die neuen Herausforderungen zu reagieren. Die deutsche Verwaltung funktioniert vielleicht tadellos, aber in jeder Lebenslage - so außergewöhnlich sie auch sein mag - offenbar nur nach Schema F. Dabei könnte sich der Staat gerade jetzt beweisen und hartnäckige Vorurteile widerlegen - durch Mut zu Flexibilität und Lockerung, durch Anpassungsfähigkeit und zügige Reformen. Auf vollkommenes Unverständnis muss also stoßen, wenn ein Ansatz zu fixer Hilfe in der bremischen Bildungsbehörde auf Beton anderer Art stößt - auf parteipolitische Ignoranz und Bedenkenträgerei: Flüchtlingskinder dürfen nicht an Privatschulen Deutsch lernen, weil damit gegen den Grundsatz der Trennung von Staat und Religion verstoßen werde. Das mag im Grundsatz zu verteidigen sein, kann aber nicht ernsthaft Hinderungsgrund sein - nicht zu dieser Zeit in diesem Land, nicht in einer finanziell überstrapazierten Stadt, der es schwer fällt, allen Flüchtlingen Schulplätze anzubieten. Anstatt die Eltern der Kinder zu fragen, ob sie sich an einem solchen Angebot stören, wird über ihre Köpfe hinweg entschieden. Obendrein vergrämt man Menschen, die helfen wollten, ohne einen Staatsakt daraus zu machen. Offenbar ist hierzulande eine neue Willkommenskultur nötig: gegenüber unkonventionellen Ideen und unüblichen Vorschlägen, die kurzerhand helfen könnten.
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