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Rheinische Post

Rheinische Post: In der Krise die Ruhe bewahren

Düsseldorf (ots)

Von Sven Gösmann
Soziologen gehören zu jenen Wissenschaftlern, über die gern 
gelästert wird, sie seien zu allem fähig, aber zu nichts zu 
gebrauchen. Doch diesmal hat die Deutsche Gesellschaft für Soziologie
ein extrem gutes Gespür bewiesen, als sie das Thema für ihre 
Jahrestagung in Jena festlegte: "Unsichere Zeiten". Erste Erkenntnis 
der versammelten Soziologen: Die Ökonomie sei eine 
Bereichswissenschaft, deren Regeln auf die gesamte Gesellschaft 
übertragen worden seien. Nun müsse die Politik abfangen, was das 
ökonomische System angerichtet habe. Selten lag die Soziologie so 
richtig. Die US-Finanzkrise hat längst die Welt erreicht, die 
Aktienkurse von Tokio bis Frankfurt stürzen in den Keller, Bankhäuser
verdampfen in der Hitze des Marktes. Anflüge von Panik machen sich 
breit. Seltsamerweise weniger bei den Bankern, die die Misere 
ausgelöst haben, als vielmehr bei den Politikern, die sie jetzt lösen
müssen.
Nur so ist wohl auch das eilige Eine-Billion-Euro-Versprechen zu 
verstehen, das Kanzlerin Angela Merkel und ihr Feldherr in der 
Schlacht, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, den deutschen Sparern
zur Sicherung ihrer Einlagen gegeben haben. Wie schlimm mag es 
wirklich stehen, fragt man sich, wenn die beiden wichtigsten 
politischen Köpfe des Landes in der Krise so frühzeitig ihr Pulver 
verschießen? Zumal beide wenige Tage vorher die Iren scharf für den 
gleichen Schritt kritisiert hatten? Fest steht, dass die 
Bundesregierung ihren sinnvollen Schritt fälschlicherweise national 
und nicht international angelegt hat; die erhoffte Wirkung an den 
Börsen jedenfalls verpuffte gestern.
Auch die Beruhigung der sparenden Steuerzahler dürfte allenfalls 
kurzfristig sein. Zu widersprüchlich sind die Aussagen aus der 
Regierung. Wirtschaftsminister Michael Glos etwa mahnte mit Blick auf
die Staatsbürgschaften für die Sparer wie für die existenzbedrohte 
Hypo Real Estate Bank, es ergebe "keinen Sinn, wenn der Regenschirm 
so groß sei, dass der Bub mit wegfliegt". Anderntags allerdings 
erklärte Steinbrück, man brauche einen "noch größeren Schutzschirm". 
Das schlimmste an Finanzkrisen aber ist die Angst. Sie schaukelt eine
Krise weiter hoch, bis entweder die Wertpapierpreise so tief fallen, 
dass sich neue Investoren finden, oder Börsen geschlossen werden oder
Zentralbanken in noch stärkerem Maße als bisher eingreifen. Deshalb 
ist es notwendig, dass die Bundesregierung ihre Maßnahmen um eine 
weitere ergänzt: ruhig und mit einer Stimme zu kommunizieren.
Dann könnte es auch gelingen, die Chancen der Krise zu nutzen. So 
entsteht durch die derzeitige Schwäche der Finanzindustrie ein 
schmales Zeitfenster, um die schlimmsten Auswüchse des 
Kapitalmarkt-Casinos einzudämmen. Wenn dies geschieht, ohne den Markt
zu Tode zu regulieren, hätte die Krise ihr Gutes gehabt: Sie hätte 
nämlich der Welt eine heilsame Lektion über die Folgen der Gier 
erteilt.

Pressekontakt:

Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303

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