Rheinische Post: Erdogans halber Triumph
Düsseldorf (ots)
Ein Kommentar von Matthias Beermann:
Recep Tayyib Erdogan hat die dritte Parlamentswahl in Folge gewonnen, seine islamisch-konservative AKP holte die Hälfte der Stimmen. Die Türken haben damit seine Erfolge belohnt, besonders bei der Wirtschaftspolitik. Unter Erdogan ist aus dem "kranken Mann am Bosporus" eine boomende Volkswirtschaft geworden, die zuletzt fast so schnell wuchs wie die chinesische. Zugleich hat die Türkei unter Erdogan auch Fortschritte auf dem Weg zu einer wirklichen Demokratie gemacht. Und vielleicht ist genau dies der Grund, warum die Türken ihrem Regierungschef zwar ein sattes Wahlergebnis gönnten, nicht aber die parlamentarische Hegemonie. Zu deutlich hatte Erdogan auf eine Zweidrittelmehrheit spekuliert, um sich eine neue Präsidialverfassung auf den Leib schneidern lassen zu können. Das haben die türkischen Wähler verhindert, und das ist auch gut so. Trotzdem dürfte Erdogan, dem es schon bisher nicht an Selbstbewusstsein gemangelt hat, künftig noch herrischer auftreten - auch gegenüber Europa. Jahrelang hat er die Frage einer EU-Mitgliedschaft seines Landes als Hebel im Kampf gegen die Militärs benutzt. Jetzt hat die europäische Perspektive offenbar ausgedient, obwohl am Ziel des EU-Beitritts formal festgehalten wird. In Wirklichkeit peilt Erdogan schon längst Größeres an: die Türkei als Regionalmacht. Ein Ziel, das faktisch wegführt von Europa.
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