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Rheinische Post: Kommentar: Die FDP - zu viel Ich, zu wenig Wir

Düsseldorf (ots)

Was ist die FDP eigentlich für eine Partei? Sie erreicht in Niedersachsen ihr Rekordergebnis bei dortigen Landtagswahlen und diskutiert in der nächsten Minute wieder über das Schicksal ihres Bundesvorsitzenden Philipp Rösler. Klammheimliche Enttäuschung mischt sich in die Gratulationen der innerparteilichen Rösler-Gegner. Der Vorsitzende selbst traut seinem Glück offenbar auch nicht. Intern hat er bereits signalisiert, dass er die "Spitzenkandidatur" der FDP bei der Bundestagswahl am 22. September abzugeben bereit ist - an Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle. Parteichef aber will Rösler bleiben. Wahrscheinlich wird er auf dem Parteitag, der eigentlich seinen Sturz herbeiführen wollte, erneut in dieses Amt gewählt. Die Bilder, wie er dann lächelnd neben Brüderle und seinem neuen Vize-Widersacher Christian Lindner in die Kameras winkt, sieht man schon heute vor sich. Dennoch ist Rösler nach der Wahl stabilisiert. Denn er kann seine politische Zukunft jetzt immerhin mitgestalten, sie wird ihm nicht von Parteifeinden gestaltet. Am Wahlabend wurde von den geschockten Demoskopen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender viel über die "kompetenzfreie" FDP gesprochen. Es wurde die Tatsache hervorgehoben, dass die Partei kein einziges Thema hat, das sich überzeugend mit ihren Fähigkeiten verbindet. Gern wurde auch auf "Leihstimmen" verwiesen, als sei die taktische Entscheidung aufgeklärter bürgerlicher Wähler für die erfolgreiche niedersächsische Landesregierung und vielleicht auch die anerkannte Merkel-Bundesregierung eine Art Stimme zweiter Klasse. Das zeigt zweierlei: Zum einen müssen die Demoskopen ihre Ahnungslosigkeit vor der Wahl, als sie die Liberalen allerhöchstens mit fünf Prozent im Parlament sahen, im Nachhinein erklären. Zum anderen verdeutlicht es das Problem der FDP: Die Partei lenkt mit ihren Ränkespielen derart von ihrem Markenkern ab, etwa dem Eintreten für eine ordnungspolitisch saubere soziale Marktwirtschaft, dass sie konturenlos wirkt, ohne es tatsächlich zu sein. Zu ihrer Tragik gehört, dass sie sich häufig als Partei des Ich, selten jedoch als Partei des Wir präsentiert. In unserer konsensorientierten Gesellschaft ist das auf Dauer fatal. Denn die Niedersachsenwahl war auch ein Stimmungstest für den Bund. War der Niedersachse Rösler für seine Landes-FDP am Ende sogar ein Motor, so war SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ein Bremsklotz. Wie Rösler hat Steinbrück aber nach dem Wahlkrimi von Hannover sein Schicksal in der eigenen Hand. Findet er zu einem pannenfreien Wahlkampf, hat Rot-Grün keine große, aber immerhin eine Chance auf die Macht im Bund.

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