Rheinische Post: Die schwarz-rote Schönwetterkoalition Leitartikel von Michael Bröcker
Düsseldorf (ots)
Der Titel des Koalitionsvertrags von Union und SPD lautet: "Deutschlands Zukunft gestalten." Passender wäre wohl gewesen: Deutschlands Zukunft gefährden. Denn was die Unionsparteien und die SPD in einer - offenbar zu langen Verhandlungsnacht - an Milliardenausgaben in den Sozialsystemen beschlossen haben, grenzt an einen Anti-Generationenvertrag. Ob die Mehrausgaben der neuen Bündnispartner nun bei 30 oder doch 40 Milliarden Euro liegen, ist dabei zweitrangig. Entscheidend ist, dass mit der Mütterrente, der Erwerbsminderungsrente, der Rente mit 63, der Lebensleistungsrente finanzielle Belastungen für Sozialkassen und Haushalte beschlossen wurden, die in einer alternden Gesellschaft Jahr für Jahr immer teurer werden. Die endgültige Zeche zahlt dann die künftige Erwerbsgeneration, die nicht nur die demografische Schieflage durch eine schrumpfende Bevölkerung bewältigen muss, sondern auch die Sozialtaten vergangener Zeiten begleichen muss. Zugleich korrigieren Union und SPD damit nicht nur die eigenen Errungenschaften bei der Rente mit 67, sondern geben mit vollen Händen aus, was Millionen von Arbeitern, Angestellten, Selbstständigen und Unternehmern in den vergangenen Jahren erwirtschaftet haben. Mit dem Presslufthammer bearbeiten die Koalitionäre das Fundament einer Gesellschaft, die sich im globalen Wettbewerb behaupten muss. Der Mindestlohn wird, weil gesetzlich über alle Branchen und Regionen diktiert, ebenfalls Jobs kosten und die gesellschaftlichen Kosten für Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben. Bundesfinanzminister Schäuble hat ausrechnen lassen, dass die Lohnfestsetzung selbst bei konservativer Schätzung mehr als eine halbe Million Jobs vernichtet. Da fehlt Einkommen, das Arbeitnehmern wie auch dem Staat zugutegekommen wäre. Und was sagt zu all dem die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin? In guter konjunktureller Lage könne man sich das erlauben. Wenn ein portugiesischer oder griechischer Ministerpräsident auf einem EU-Gipfel seine Finanzpolitik so erklären würde, hätte ihn Angela Merkel schleunigst zu einem Vier-Augen-Gespräch ins Kanzleramt zitiert. Und richtig teuer wird es ja auch erst, wenn Angela Merkel nicht mehr im Amt ist. Also 2017 und später. Von Nachhaltigkeit ist im Koalitionsvertrag deshalb wohl auch nur bei Umweltschutz und Rohstoffversorgung die Rede, nicht im Kapitel Finanzpolitik. Es ist die ganz große Schönwetter-Koalition, die sich da in Berlin ans Regieren macht. Dass sich die gute wirtschaftliche Lage in Deutschland nicht per Gesetz für die nächsten vier Jahre beschließen lässt und dass weltweit Schwellenländer gerade massiv ökonomisch und gesellschaftlich aufholen, hat die Kanzlerin im Wahlkampf oft erwähnt. Nur lässt sie dieser Erkenntnis im Koalitionsvertrag kaum Taten folgen. Natürlich ist es schön, wenn langjährig Versicherte abschlagsfrei in Rente gehen können. Natürlich haben ältere Mütter eine finanzielle Würdigung ihrer Arbeit verdient. Auch Kommunen und Schulen brauchen mehr Geld. Die Frage ist, ob Deutschland sich alles gleichzeitig leisten kann? Der SPD-Vorsitzende und dessen Furcht vor einem Veto der Parteibasis haben die CDU-Chefin, vor wenigen Monaten noch mit einem satten 42-Prozent-Ergebnis der Wählerschaft ausgestattet, inhaltlich überrollt. Was bietet die CDU denn den Aufsteigern, den Leistungsbereiten, den Jungen, den Fleißigen? Also denjenigen, die sie hauptsächlich gewählt haben. Selbst Minimalangebote an die Leistungsträger, etwa die Beseitigung der ungerechten kalten Progression im Steuerrecht, die Mehrarbeit und Aufstiegswillen geradezu bestraft, wurden aus dem schwarz-roten Vertragswerk gestrichen. Ist das Politik für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung? "Ich denke niemals an die Zukunft. Sie kommt früh genug", hat Albert Einstein mal gesagt. Die künftige Koalition hat dies scheinbar zu genau genommen.
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