Rheinische Post: Kommentar: Mehr Erdung tut not
Düsseldorf (ots)
Es ist schon erstaunlich, dass die Volksparteien weitere herbe Rückschläge brauchten, um dies zu verstehen: Sie müssen die Bürger zuhause abholen. Zuhause in der Stadt, auf dem Land, im Internet - im Herzen. Die große Mehrheit der AfD-Wähler im Osten ist nicht rechtsextremistisch. Viele Menschen haben seit Jahren nur das Gefühl, dass sich für sie keiner interessiert - außer der AfD. Das stimmt nicht. Aber CDU, SPD und auch die Linke hinterließen im Osten vielerorts den Eindruck, dass sie sich für Sterneköche halten und trotzdem nur das Nötigste auftischen und von anderen Rezepten nichts hören wollen. Nun müssen die Volksparteien darum bangen, das Volk wieder zu erreichen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer wäre um ein Haar im nächsten Fettnäpfchen versackt, wenn sie nicht schnell klargestellt hätte, dass die CDU zwar die AfD bei der Regierungsbildung außen vor lassen könne - keinesfalls aber deren Wähler im Bemühen um mehr Bürgernähe. Es gilt wie immer und überall: Ohne reden geht es nicht. Zuhören allein reicht nicht. Vorschläge müssen aufgenommen und geprüft und - wo immer möglich - umgesetzt werden. Das trifft nun auch auf die schwierige Regierungsbildung in Sachsen und Brandenburg zu. Die Grünen werden für ein Bündnis mit CDU und SPD oder für eine Koalition mit SPD und Linken gebraucht. Ein Spagat. Die Gefahr, für beliebig erklärt zu werden, ist groß. Und die Gefahr, dass Dreierbündnisse brüchig sind, auch. Da lohnt ein Blick nach "Kenia" in Magdeburg und "Jamaika" in Kiel. Dort wird geräuschlos regiert. Jeder bekommt etwas und keiner alles. Der Kompromiss, der in der Politik aus der Mode kommt, wird gepflegt. Gut so. Wie auch die Mahnung des CDU-Politikers Kokert aus Schwerin: Das Dorffest ist wichtiger als der Landespresseball. Mehr Erdung tut not.
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