Ungeklärte Fragen
im Brexit-Vertrag
Kommentar Von Martin Kessler /
Düsseldorf (ots)
Buchstäblich in letzter Minute haben sich die EU und Großbritannien auf ein Handelsabkommen geeinigt. Es war vielleicht gut, dass die öffentliche Aufmerksamkeit ganz auf den Corona-Impfstoff und die neue Mutation gelenkt war, sodass die Unterhändler ohne große Begleitmusik von außen den Deal abschließen konnten. Es ist ein klassischer Kompromiss, der viele Streitpunkte wie die Regelung des EU-Passes für Bankgeschäfte oder künftige Umwelt- und Arbeitsstandards erst einmal in die Zukunft verschiebt. Aber angesichts dessen, was auf dem Spiel stand, ist der Vertrag auf jeden Fall besser als ein ungeordneter Brexit. Der hätte den Waren- und Dienstleistungsverkehr empfindlich gestört und die gegenwärtige Wirtschaftskrise beträchtlich vertieft.
Der britische Premierminister Boris Johnson hat noch einmal die Kurve gekriegt. Seit sein Freund Donald Trump die Wahl in den USA verloren hat, ist für ihn der internationale Gegenwind heftiger geworden. Der designierte amerikanische Präsident Joe Biden ist ein Freund der EU und hätte den Brexiteer Johnson eiskalt im Regen stehen lassen. Allerdings muss der rauflustige britische Regierungschef dieses Ergebnis nun den Hardlinern in seiner Partei verkaufen.
Mit dem jetzt vereinbarten Vertrag dürften die beiden Parteien sonst einigermaßen zurechtkommen. Einen klaren Verlierer und Gewinner gibt es nicht. Die Briten können selbst ihre Geschicke bestimmen, aber sind wie jede globalisierte Macht eingebunden in den Weltmarkt und in internationale Vereinbarungen. Die EU konnte den in London verhassten Europäischen Gerichtshof als Gerichtsort nicht durchsetzen. Ob sich das Abkommen bewährt, wird nach dessen Ratifizierung auch davon abhängen, ob die EU und Großbritannien gute Partner bleiben oder weiter auseinanderdriften. Leider ist diese Frage nicht geklärt.
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