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Rheinische Post

Rheinische Post: Die SPD taumelt weiter

Düsseldorf (ots)

Von Sven Gösmann
Politik ist ein gnadenloses Geschäft. Diesen Verdacht der Wähler 
bestätigte der gestrige Tag in Berlin eindrucksvoll. Wie ein 
Getriebener räumte Matthias Platzeck den Posten des SPD-Vorsitzenden,
eilig hoben die Genossen statt seiner Kurt Beck auf den Schild. Bloß 
kein Innehalten, nur kein machtpolitisches Vakuum entstehen lassen! 
Schließlich hatte Platzeck mit seinem Rücktritt eine Entscheidung 
getroffen, die zwar von persönlicher Stärke, aber auch von 
politischer Schwäche zeugt.
Nur einen Tag vor seinem spektakulären Rückzug hatte der SPD-Chef 
eilig Thesen verbreitet, wie er seine Partei aufstellen wollte. Ab 
durch die Mitte, lautete die Vorgabe. Doch die erste Kursbestimmung, 
die Platzeck überhaupt gab, kam zu spät. Längst war seine 
Führungsfähigkeit SPD-intern in Frage gestellt worden. Der 
gesundheitliche K.o. für Platzeck ermöglichte es der SPD, fünf Monate
nach der emotionalen Parteitags-Entscheidung für den schmusigen 
Ostdeutschen doch noch eine Vernunftentscheidung nachzuschieben. 
Platzeck bleibt eine Episode, so wie vor ihm ein anderer 
Hoffnungsträger, Björn Engholm.
Nun soll Kurt Beck es richten, fast schon das letzte Aufgebot einer 
personell ausgezehrten SPD. Von provinzieller Kleinbürgerlichkeit 
umweht, ist er näher an jenen Wählerschichten, die sich von der 
kaltherzigen SPD der Schröder-Jahre abgewendet haben. Deswegen sollte
man Beck nicht unterschätzen, auch wenn seine intellektuelle 
Strahlkraft in der Hölle der Berliner Kamera-Republik endlich sein 
dürfte.
Es ist zu früh für eine Prognose, ob er die Sozialdemokraten auch als
Kanzlerkandidat in den nächsten Bundestagswahlkampf führen wird. 
Vorerst wird es seine Aufgabe sein, die SPD therapeutisch an die 
Wirklichkeit heranzuführen. Durch die Beteiligung an der großen 
Koalition sind viele Probleme in der Partei überdeckt worden. 
Verschwunden sind sie deshalb nicht. Die fortgesetzte Teilhabe an der
Macht hat die Genossen bequem werden lassen. So ist es kein Wunder, 
dass die CDU-Kanzlerin zwar betroffen auf Platzecks Schicksal 
reagierte, aber wenig besorgt über die Zukunft ihrer großen 
Koalition.
Die Sozialdemokraten in der Regierung widmen sich auch deshalb 
lustvoll Detailfragen, weil sie so keine Antworten auf grundsätzliche
Fragen geben müssen: Wofür soll eine moderne Sozialdemokratie 
eintreten? Kehrt sie zurück zur Schutzmacht der kleinen Leute, 
verliert dabei aber ihre strukturelle Mehrheitsfähigkeit? Lässt sie 
sich auf den Kampf mit Union und FDP um die Leistungsträger der Mitte
ein - auch auf die Gefahr hin, der Linkspartei auf Dauer die 
Verlierer der Modernisierung zuzutreiben?
Wie also sieht der sozialdemokratische Mix zwischen Herz, Verstand 
und Geldbörse aus? Die Antwort, die Beck darauf in seinem heimeligen 
Rheinland-Pfalz gefunden hat, lautet: So wie ich. Für das ganze große
Deutschland dürfte das nicht reichen.

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