Statistisches Bundesamt feiert 75-jähriges Bestehen
WIESBADEN (ots)
- "Demokratie braucht Daten - Daten brauchen Demokratie": Neues Online-Dossier blickt auf Meilensteine der amtlichen Statistik seit 1948
- Historische Zeitreihen zu Wirtschaft, Bevölkerung, Bildung, Privathaushalten und Wohnungsbau zeigen die Relevanz amtlicher Daten damals und heute
- Festakt mit Innenministerin Nancy Faeser am 5. Juli und Wissenschaftliche Fachtagung am 6. Juli schließen Jubiläumsfeierlichkeiten ab
Auf welchen gesetzlichen und baulichen Fundamenten entstand die Bundesstatistik in der Nachkriegszeit? Wer war die erste Frau an der Spitze einer Bundesoberbehörde? Welche Pionierarbeit hat die amtliche Statistik über die Jahrzehnte geleistet und wie hat sie sich weiterentwickelt? Von den Anfängen mit Lochkartengeräten und Statistischen Jahrbüchern bis zu digitalen Datenquellen, Georeferenzierung und maschinenlesbaren Open-Data-Formaten: Zu seinem 75-jährigen Jubiläum blickt das Statistische Bundesamt (Destatis) in einem Online-Dossier auf die wichtigsten Meilensteine aus 75 Jahren amtlicher Statistik im Dienste der Demokratie und deren Bedeutung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Corona, Klima, Ukraine-Krieg: Amtliche Statistik besonders in Krisenzeiten gefragt
Vor diesem Hintergrund darf auch ein Ausblick auf die Herausforderungen von heute und morgen für das Datenökosystem in Deutschland nicht fehlen. "Gerade in Zeiten sich überlagernder, multipler Krisen zeigt sich der Wert amtlicher Statistiken. Ob Corona-Pandemie, Klimawandel, Krieg in der Ukraine oder Energiekrise - der Bedarf an aktuellen statistischen Informationen zur Orientierung ist besonders in unsicheren Zeiten groß", sagt Präsidentin Ruth Brand zum Jubiläum des Statistischen Bundesamtes. "Vor diesem Hintergrund hatte die amtliche Statistik in den vergangenen drei Jahren Hochkonjunktur", so Brand weiter. Die Höhepunkte der Jubiläumsfeierlichkeiten bilden ein Festakt mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser am 5. Juli 2023 sowie die Wissenschaftliche Fachtagung "Daten.Forschung.Zukunft" am 6. Juli 2023 in Wiesbaden.
Neutral, objektiv, unabhängig: Grundsätze gelten damals wie heute
In 75 Jahren hat sich vieles verändert, doch die Grundsätze sind geblieben. "Damals wie heute gilt: Amtliche, nach wissenschaftlichen Methoden erhobene Statistiken sind die bestmögliche Annäherung an die Realität, eine zentrale Grundlage für einen wissensbasierten demokratischen Diskurs und faktenbasierte politische Entscheidungen - und damit auch eine scharfe Waffe gegen Desinformation und Fake News", sagt Ruth Brand. Dies spiegelt sich auch im Motto der diesjährigen Jubiläumsaktivitäten wider: "Demokratie braucht Daten - Daten brauchen Demokratie." Dass die mittlerweile 400 Bundesstatistiken stets nach den Grundsätzen der Neutralität, Objektivität und fachlichen Unabhängigkeit entstehen, frei von politischer Einflussnahme, aber immer mit gesetzlichem Auftrag und somit demokratisch legitimiert, schreibt das Bundesstatistikgesetz bereits seit 1953 vor. "Dem Auftrag und Anspruch, mit unabhängigen, qualitätsgesicherten und aktuellen amtlichen Daten zu einer faktenbasierten Berichterstattung und demokratischen Willensbildung beizutragen, folgt das Statistische Bundesamt auch in Zukunft", versichert Brand.
Bewegte Anfangsjahre: "Bestandsaufnahme und Neuaufbau nach dem Krieg"
Das nun veröffentlichte Online-Dossier beleuchtet die bewegte Geschichte des Statistischen Bundesamtes aus aktuellem Blickwinkel: Per Gesetz vom 21. Januar 1948 entstand in der damaligen Bizone das Statistische Amt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. Vor 75 Jahren nahm die Vorgängerinstitution des Statistischen Bundesamtes, wie die Bundesoberbehörde seit 1950 heißt, ihre Arbeit im Verwaltungsgebäude der Kalle-Werke in Wiesbaden-Biebrich auf und legte dort den Grundstein für amtliche, unabhängige Daten im Dienste der Demokratie. "Es ging um nichts weniger als eine systematische Bestandsaufnahme nach dem Krieg und den Neuaufbau eines statistischen Systems zur Erfassung der gesamtwirtschaftlichen und -gesellschaftlichen Entwicklung", sagt Vizepräsident Christoph Unger über die Anfangsjahre.
Mit den ersten 120 Beschäftigten und den ersten Konjunkturindikatoren, denen in Zeiten von Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und sozialer Marktwirtschaft besondere Bedeutung zukam, baute das junge, rasant wachsende Amt die Bundesstatistik auf. Mit den Aufgaben wuchs auch der Personalbedarf: Innerhalb weniger Jahre hatte sich die Belegschaft des Statistischen Bundesamtes bereits verzehnfacht. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre arbeiteten in Wiesbaden bereits etwa 2 000 Amtsangehörige, hinzu kamen weitere 700 Beschäftigte in Berlin.
Pionierarbeit auch in den 1960er und 1970er Jahren
1953 wurde mit dem Bundesstatistikgesetz, das bis heute als "Grundgesetz" der amtlichen Statistik in Deutschland gilt, nicht nur das gesetzliche Fundament, sondern mit dem Beginn des Neubaus am Gustav-Stresemann-Ring in Wiesbaden auch das bauliche Fundament für die neue Zentrale der Bundesstatistik gelegt. Auch in den 1960er und 1970er Jahren leisteten das Amt und seine Angehörigen Pionierarbeit - allen voran Hildegard Bartels, die spätere Präsidentin und erste Frau an der Spitze der amtlichen Statistik (1972-1980): Bereits 1960 entwickelte sie mit ihrem Team ein Kontensystem für die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, das die Vereinten Nationen rund 30 Jahre später auf internationaler Ebene empfahlen.
Ab 1962 erhielt die elektronische Datenverarbeitung mit der ersten Großrechenanlage Einzug in die Bundesstatistik, ab 1978 bündelte STATIS-BUND mehr als eine Million Zeitreihen in einer Datenbank. Heute ist die Datenbank GENESIS-Online das Tool für eine kosten- und barrierefreie Bereitstellung des amtlichen Datenangebots - in der Spitze mit bis zu 800 000 Tabellenabrufen pro Monat (März 2023).
Von der Volkszählung zum registergestützten Zensus
Bewegt war auch die Geschichte eines Großprojekts der amtlichen Statistik, nämlich der Volkszählung beziehungsweise des Zensus, wie die Bevölkerungs-, Gebäude- und Wohnungszählung heute heißt. 1983 führten Datenschutzbedenken vom "gläsernen Bürger" zu einer Boykottbewegung und schließlich vor dem Bundesverfassungsgericht zum "Volkszählungsurteil", das als Geburtsstunde des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und als Meilenstein für den Datenschutz in Deutschland gilt. Nach der Verschiebung auf das Jahr 1987 sollte es 24 weitere Jahre dauern, bis der erste registergestützte, gesamtdeutsche und nunmehr europaweit alle 10 Jahre angesetzte Zensus im Jahr 2011 rund 1,5 Millionen Menschen weniger zählte als zuvor angenommen worden war.
"Eine organisatorische Mammutaufgabe": Integration der DDR-Statistik im Zuge der Deutschen Einheit
Viel Bewegung brachte in den 1990er Jahren vor allem auch die deutsche Vereinigung: Einerseits für das Zahlenwerk der amtlichen Statistik, das erstmals ein einheitliches, gesamtdeutsches und im Zuge der zunehmenden Internationalisierung auch ein immer besser vergleichbares Bild lieferte. Andererseits aber auch für viele Beschäftigte der amtlichen Statistik in Ost und West. Die Beschäftigten des Statistischen Amtes der DDR wurden in das Statistische Bundesamt integriert oder bis zur Einrichtung neuer Landesämter in das Gemeinsame Statistische Amt der neuen Bundesländer übernommen. "Dieser Integrationsprozess war eine organisatorische Mammutaufgabe", blickt Christoph Unger zurück.
Personaltausch und Umzüge: Die Standorte Bonn und Berlin
Durch den Regierungsumzug nach Berlin und den damit verbundenen Personaltausch entstand 1999 in Bonn ein neuer Standort des Statistischen Bundesamtes mit zunächst etwa 500 Bediensteten der dortigen Bundesverwaltung sowie weiterem Fachpersonal aus Berlin, Düsseldorf und Wiesbaden. Der Mikrozensus sowie die Außenhandels-, Haushalts-, Sozial-, Gesundheits-, Umwelt- und Agrarstatistiken waren fortan in Bonn beheimatet. Im selben Jahr eröffnete mit dem i-Punkt in Berlin eine kleine Hauptstadtrepräsentanz, die auch heute noch als Anlaufstelle für Anfragen des Parlaments und der Bundesregierung dient und die internationale Statistik umfasst.
Jubiläumsreihe: Zeitreihen zeigen zentrale Entwicklungen in der Geschichte der Bundesrepublik
Begleitet wird das Online-Dossier zur Amtsgeschichte von einer Reihe von Auswertungen auf Basis historischer Zeitreihen aus 75 Jahren amtlichen Daten. Sie zeigen nicht nur die wesentlichen Entwicklungen in Bereichen wie Wirtschaft, Bevölkerung, Bildung, Privathaushalten oder Wohnungsbau, sondern damit auch, welchen Beitrag amtliche Daten in 75 Jahren geleistet haben und auch heute leisten.
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