KBV - Kassenärztliche Bundesvereinigung
Schweizer Kopfpauschalen: Modell mit Schwächen
"Eigenes Gesundheitssystem ist besser als sein Ruf"
Berlin (ots)
"Unser Gesundheitssystem wird schlechter geredet, als es tatsächlich ist. Die in der Reformdebatte genannten leuchtenden Vorbilder aus dem Ausland kämpfen mit Problemen, so auch die Schweiz. Wir haben uns selbst ein Bild über das Schweizer System gemacht - es weist einige Nachteile auf und ist sicherlich kein Allheilmittel", erklärte Dr. Manfred Richter-Reichhelm, der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), heute in Berlin.
Die KBV hat im Januar zusammen mit Vertretern der Bundesärztekammer ausgewählte Gesprächspartner in der Schweiz besucht, um sich vor Ort detailliert über die Entwicklungen im Gesundheitssystem zu informieren. "In Anlehnung an das Schweizer System wird auch in der Bundesrepublik immer häufiger gefordert, die einkommensabhängige, paritätische Beitragsfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine versichertenbezogene Kopfpauschale umzustellen. In der Schweiz hat sich jedoch gezeigt, dass diese Finanzierungsart große Schwächen aufweist", berichtete Richter-Reichhelm. "Dort denkt man bereits über Änderungen nach."
Die Schweizer stellten ihr Krankenversicherungssystem 1996 auf eine Grundversicherung und freiwillige Zusatzversicherungen um. Jeder Versicherte zahlt eine einheitliche Kopfprämie, es gibt keine Familienmitversicherung. "Dieses System ist mit deutlichen Mängeln behaftet. Gerade die Beiträge der einkommensschwachen Bürger subventioniert der Staat in erheblichen Umfang. Fast ein Drittel der Versicherten erhält eine Unterstützung von bis zu 60 Prozent durch kantonale Prämienverbilligungsprogramme. Der Mittelstand wird durch dieses Modell besonders stark belastet, er zahlt nicht nur die Prämien sondern auch einen hohen Steueranteil zur Finanzierung der Prämienverbilligung. Reiche hingegen werden indirekt subventioniert", so der Erste Vorsitzende. Er unterstrich, dass die Übertragung des Kopfprämiensystems auf die Bundesrepublik die Steuern nach oben treiben würde: "Auf uns kommen dann Kosten aus Steuermitteln von 20 bis 25 Milliarden Euro zu."
Richter-Reichhelm weiter: "Außerdem entstehen durch die einheitliche Kopfprämie massive Risikoselektionsanreize, denn für jüngere Versicherte entstehen durchschnittlich Überschüsse, für ältere jedoch durchschnittlich Defizite. Der derzeitige Risikostrukturausgleich unter den Krankenkassen ist nicht ausreichend, um Selektionsanreize wirksam einzugrenzen." Die Kassenwechsler in der Schweiz sind überwiegend jung und weisen unterdurchschnittliche Jahreskosten auf. "Wenn man Vorbilder für eine Gesundheitsreform präsentiert, sollte man sich sehr genau ansehen, was sich dahinter verbirgt. Das Schweizer Modell kann für uns in dieser Form kein Vorbild sein", sagte der KBV-Vorsitzende. "Unser eigenes Gesundheitssystem ist deutlich besser als sein Ruf."
Den gesamten KBV-Bericht zum Schweizer Gesundheitssystem finden Sie im Internet zum Herunterladen unter http://www.kbv.de/publikationen/4559.htm.
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