Stuttgarter Nachrichten: Leitartikel Stuttgarter Nachrichten
Stuttgart (ots)
Stuttgarter Nachrichten zu Nahost: Die Tötung Jassins ist freilich ein schwerer Verstoß gegen das internationale Recht. Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon beruft sich zwar auf sein Recht zur Vergeltung und darauf, sein Volk dadurch schützen zu müssen, indem er gegen die Protagonisten der Gewalt auf der palästinensischen Seite vorgeht. Doch er hat dabei die Verhältnismäßigkeit total aus den Augen verloren. Scharon hat politische Moral über Bord geworfen und Mittel angewandt, die er beim Gegner als terroristisch kritisieren würde. Und er hat die Lehren aus der Vergangenheit missachtet: Die Strategie der tödlichen Militärschläge führte bisher zu nichts. Kein Wunder: Die Hamas-Bewegung verfügt über eine beinahe unerschöpfliche Reservearmee gewaltbereiter Extremisten, und ihre Führung ähnelt einer Hydra. Zudem ist die Hamas auch eine Wohltätigkeitsorganisation und als solche fest im palästinensischen Volk verwurzelt. So könnte sich die Ermordung Scheich Jassins auch deshalb als fatal erweisen, weil sie eine neue Solidarisierung der Palästinenser mit der Hamas bewirkt. Wieder einmal wird deutlich: Sich selbst überlassen, versinkt die Region im Blut. Im Heiligen Land herrscht, mit kurzen Unterbrechungen, seit 56 Jahren Krieg. Politischer Mut ist nirgends zu erkennen, die Schlagzeilen werden von Gewaltausbrüchen beherrscht. Was also ist zu tun? Von Jeshajahu Leibowitz, einer der großen Geister des Judentums, stammt die These: Wir haben den Sechstagekrieg am siebenten Tag verloren, wenn wir die eroberten Gebiete nicht zurückgeben. Genau darum geht es auch heute: Israel muss sich wieder auf das alte Prinzip Land gegen Frieden besinnen und den Palästinensern endlich einen lebensfähigen Staat zugestehen. Der Tod Jassins ändert daran nichts.
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