Lausitzer Rundschau: IM-Vorwürfe gegen Gysi Eine verfahrene Sache
Cottbus (ots)
Der Fall Gysi ist weniger ein Lehrstück in Sachen Diktatur und Geheimpolizei als vielmehr eine Lektion über die verpassten Chancen der Wahrheitsfindung. Man kann dem einstigen SED-Mitglied und dem Anwalt Gregor Gysi im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für DDR-Bürgerrechtler sicher viele Fragen stellen und seine früheren Mandanten sind bei der Beurteilung dieser Tätigkeit zu ganz unterschiedlichen Schlussfolgerungen gekommen. Aber alles, was wir heute wissen, spricht gegen die These vom ganz gewöhnlichen Spitzel. Wer Gysi kennt, weiß um seine Talente und dazu zählt auch, sich viele Optionen offen zu lassen und sich gelegentlich zu überschätzen. Dass seine Partei, die SED, bei seiner Betreuung von Oppositionellen immer dabei war, musste jeder Vernünftige wissen. Und sie war ja Herr und Auftraggeber der Staatssicherheit. Die Ohnmächtigen wie die Mächtigen waren bei ihm im Bilde und dass der Mann ein Redetalent hat, weiß heute auch jeder. Verwunderlich ist es, wenn für Gysi jetzt andere Maßstäbe gelten sollen als für Sozialdemokraten beispielsweise. Immerhin ist einer von ihnen zuerst Ministerpräsident und dann Bundesminister geworden, bei dem die Aktenlage eine klarere Sprache spricht. Der Fall Stolpe aber endete im Nichts, obwohl einst nicht unbedingt jeder davon ausgehen konnte, dass der Kirchenmann sich ganz heimlich mit den Genossen von der Sicherheit verabredete. Die Sache Gysi riecht auf diesem Hintergrund und zu diesem Zeitpunkt allzu sehr nach Parteipolitik. Man redet vom Spitzel und meint die Linke, die als Fremdkörper stört. Damit ist der Aufarbeitung der Vergangenheit aber genauso wenig gedient wie damals mit der schnellen Absolution für Stolpe, bei der sich übrigens der Hilfe der damaligen PDS bediente wurde. Es wäre ja gut, wenn überall alles ans Licht kommt - aber dann bitte überall gleichermaßen. So aber ist das alles eine verfahrene, eine traurig durchsichtige Angelegenheit.
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