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Lausitzer Rundschau: Grüne wählen neue Führung: Partei ohne Bindestrich

Cottbus (ots)

Die Grünen stecken in einer wenig komfortablen
Situation: Ihnen fehlt eine klare Machtperspektive, weil Lafontaines 
Linke das Parteiensystem aufmischt und die klassische politische 
Farbenlehre zu verschwimmen droht. Deshalb wollen die Ökos erst 
einmal grün pur sein und nicht Bindestrich-Grün. Was das bedeuten 
kann, hat sich schon im vergangenen Jahr gezeigt. Beim Göttinger 
Parteitag wäre die Afghanistan-Politik Joschka Fischers beinah 
vollends entsorgt worden. Und beim Nürnberger Parteitag 
verabschiedete die Basis mal eben eine 60 Milliarden Euro teure 
Grundsicherung. Auch das Erfurter Delegiertentreffen war nicht frei 
von Wunsch und Wolke. Dass der ausgewiesene Wirtschaftsexperte Fritz 
Kuhn bei der Wahl zum Parteirat scheiterte, zeigt, wie dünn die Luft 
für lupenreine Realos bei den Grünen inzwischen geworden ist. Auch 
gelang den Führungsleuten nur mit Mühe ein Formelkompromiss, der die 
(unrealistische) Gewissheit, den Strom in zwei Jahrzehnten komplett 
aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, etwas abschwächte. 
Verständlich zwar, dass sich die Grünen bei ihrem Urthema, der 
Ökologie, von keinem übertreffen lassen wollen - mittlerweile haben 
schließlich alle Parteien den Umweltschutz entdeckt. Wenn 
ambitionierte Forderungen jedoch in Fantasterei umschlagen, wird es 
für die Grünen gefährlich. Der Wähler nimmt sie nicht mehr ernst. Und
wenn es - egal ob mit Rot, Gelb oder Schwarz - doch zum Regieren 
kommt, muss die grüne Basis wieder runter von den Bäumen, was die 
Partei schon mehrfach in eine Zerreißprobe getrieben hat. Siehe 
Afghanistan oder Atomausstieg.
Reinhard Bütikofer hat es gut verstanden, die Partei in der Balance 
zwischen radikalen Ideen und pragmatischer Politik zu halten. Ob sein
Nachfolger Cem Özdemir die Kunst des Vermittelns und Integrierens 
beherrscht, muss sich erst erweisen. Als strategischer Kopf ist er 
noch nicht aufgefallen. Dafür hat der eloquente Deutschtürke eine 
rhetorische Begabung. Und Talkshow-Tauglichkeit ist für das 
bevorstehende Superwahljahr schon eine ganze Menge. Die Grünen werden
sie dringend brauchen können. Seit der Abdankung ihres Übervaters 
Joschka Fischer fehlt der Partei in der Öffentlichkeit ein 
profiliertes Gesicht. Ex-Umweltminister Jürgen Trittin ist einem 
breiteren Publikum kaum vermittelbar.
Wenn sich der in Erfurt beschworene Dreiklang aus ökologischer 
Verantwortung, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Impulsen 
nicht mit einer unverwechselbaren grünen Persönlichkeit verbindet, 
werden die Grünen im Wahlkampfmarathon des nächsten Jahres auf der 
Strecke bleiben. Es kann der Partei nicht allein darum gehen, 
möglichst viele Atomkraftgegner nach Gorleben zu karren. Sie muss 
mehr Menschen dazu bringen, grün zu wählen. Das wird schwer genug.

Pressekontakt:

Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
lr@lr-online.de

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