Lausitzer Rundschau: Ein Präsident mit Orientierung Zur Berliner Rede von Horst Köhler
Cottbus (ots)
In seinen bisherigen Berliner Reden hat sich Bundespräsident Horst Köhler auf fundamentale Zukunftsfragen der Gesellschaft konzen8triert: die Bildung (2006), die Globalisierung (2007) und die Integration (2008). Nur das Thema am Dienstag, die Finanz- und Wirtschaftskrise, war einer aktuellen Entwicklung geschuldet, wobei anzumerken ist, dass Horst Köhler die Kontrolle der Finanzmärkte auch früher schon eingefordert hat - eher als viele andere. Außerdem gelang es ihm auch wieder, einen größeren Bogen zu schlagen, vom Klimaschutz bis hin zu einer gerechten Weltwirtschaftsordnung. Stets hat der Präsident in allen seinen Auftritten das Land dazu aufgerufen, die Bedeutung dieser langfristigen Fragen für die eigene Zukunft anzunehmen. Dieser Präsident hat Orientierung, und er gibt Orientierung. Auch an der Überparteilichkeit hat er es nicht fehlen lassen. Seine Positionen sind keinem bestimmten Lager zuzuordnen; er ist im besten Sinne Präsident aller Deutschen. Auch deshalb ist er so respektiert beim Volk. Beliebt kann man vielleicht nicht sagen, dazu ist er zu präsidial im Auftreten, zu distanziert, zu wenig volkstümlich. Es ist völlig legitim, wenn die Parteien bei der Neuwahl eines Bundespräsidenten jeweils eigene Kandidaten aufstellen. Formal kann man die im Mai stattfindende Wahl in der Bundesversammlung zwar als Neuwahl betrachten. Aber das ist sie in Wirklichkeit nicht. Denn hier begehrt ein in der Zwischenzeit allseits akzeptierter Präsident eine zweite Amtszeit. Jetzt kommt die von der SPD betriebene Gegenkandidatur Gesine Schwans dem Versuch einer Abwahl des Amtsinhabers gleich. Dafür aber hat die SPD keinen einzigen Grund vorzuweisen. Seit der neuen Berliner Rede gilt diese Feststellung mehr denn je. Die SPD hat sich verrannt. Sie wurde dazu im vergangenen Sommer von Leuten gedrängt, die in der Partei heute kaum noch etwas zu sagen haben. Einen eleganten Ausweg gibt es nun nicht mehr. Niederlage gegen Köhler am 23..Mai schon im ersten oder zweiten Wahlgang aufgrund von "Überläufern" aus dem eigenen Lager oder Rückzug der Kandidatin oder Niederlage im dritten Wahlgang - das sind die wenig erbaulichen Alternativen. Für den Bundestagswahlkampf der Sozialdemokraten ist das kein gutes Vorzeichen. Die Genossen hätten den Berliner Reden des Präsidenten besser schon früher aufmerksam zugehört.
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