Lausitzer Rundschau: Zu den Skandalen des italienischen Ministerpräsidenten:
Cottbus (ots)
Wieder einmal, so scheint es, versinkt Italien unter einer großen Welle von Unrat. Es ist diesmal nicht der stinkende Hausmüll auf Neapels Straßen. Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi sieht sich den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bari ausgesetzt, die vermutet, ein Unternehmer aus der süditalienischen Stadt habe dem Premier gegen Bezahlung Frauen zugeführt und somit "Beihilfe zur Prostitution" geleistet. Gegen Berlusconi selbst, dessen ausschweifender Lebensstil seit Langem bekannt ist, wird nicht ermittelt. Die Frage ist, ob der gegenwärtige Skandal den italienischen Premier zum Sturz bringen wird oder nicht. Auch wenn Berlusconi derzeit stark in Bedrängnis ist: Die Regierungsmitglieder zeigten sich mehrfach solidarisch. Viele seiner Anhänger glauben an die von Berlusconi selbst lancierte Verschwörung von Justiz, Opposition und Journaille. Zu beweisen, Berlusconi habe wissentlich die Dienste von Prostituierten angenommen und dafür bezahlen lassen, wird kaum möglich sein. Der springende Punkt ist die moralische Dimension der Affäre. Doch hier ist der Ministerpräsident fein heraus: Eine hohe Moral hat er noch nie für sich in Anspruch genommen, im Gegensatz zu anderen westlichen Regierungschefs, die viel eher über eine Prostitutionsaffäre stolpern würden, weil sie moralisches Handeln als Fundament ihrer politischen Glaubwürdigkeit dargestellt haben. Kleine Lügen und große Vergehen haben Berlusconi noch nie geschadet. Er ist in Italien so beliebt, weil er sich erfolgreich als Mann des Volkes und Gegner eines bei den meisten Italienern verdächtigen Staats-Ungetüms inszeniert hat. Er überstand unzählige Justiz-Affären und rechtfertigte als Ministerpräsident sogar Steuerhinterziehung - wenn die Abgaben an den Staat zu hoch seien. Selbst das katholische Italien, das Berlusconi immer schon distanziert gegenüber stand, ihn aber als das kleinere Übel gegenüber der Linken empfindet und über seine privaten Eskapaden hinwegsieht, rührt sich in diesen Tagen kaum: Die Zeitung der italienischen Bischofskonferenz "Avvenire" verlangt nur klärende Worte und wünscht sich, dass der Skandal bald aus den Schlagzeilen verschwindet. Diese Hoffnung ist berechtigt: Während die in Italien verhältnismäßig wenig gelesenen Zeitungen ausführlich über den Fall berichten, wird die Affäre in den viel gesehenen, von der Regierung kontrollierten Nachrichtensendungen verschwiegen oder entschärft dargestellt. Dass der Ministerpräsident auch der einflussreichste Medienunternehmer im Land ist, zahlt sich nicht zum ersten Mal für ihn aus.
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