Lausitzer Rundschau: Guido Westerwelle übernimmt das Auswärtige Amt Hier ist Rhodos
Cottbus (ots)
Es ist ein weiter Weg aus dem Big-Brother-Container ins Auswärtige Amt. Aber wenn er heute im Deutschen Bundestag den Amtseid abgelegt hat, ist Guido Westerwelle angekommen am Gipfel seiner politischen Karriere. Er wird nicht derselbe bleiben. Das Amt verändert den Mann. Obwohl nach der Bundestagswahl schnell klar war, dass er ins Haus am Werderschen Markt einziehen würde, ist der FDP-Chef bis heute die mit Abstand spannendste Personalie der neuen schwarz-gelben Bundesregierung. Unter all den Schäubles und Brüderles wirkt Westerwelle wie die fleischgewordene Wundertüte. Anerkannt ist der Oberliberale mittlerweile als erfolgreicher Parteipolitiker und hervorragender Debattenredner. Aber ein Staatsamt hatte er noch nie inne. Und weil er in den langen Jahren der Opposition keine Gelegenheit ausließ, dem Publikum klarzumachen, an welcher Stelle die Regierenden gerade mal wieder komplett versagt hatten, steht er nun selbst unter besonderer öffentlicher Beobachtung. Es gibt Menschen, die muss der Oberliberale erst noch davon überzeugen, dass er mehr ist als nur ein wortgewandter Schaumschläger. Seine Situation erinnert ein wenig an jenen Fünfkämpfer des griechischen Fabeldichters Äsop, der so lange mit seinen Top-Leistungen beim Weitsprung im fernen Rhodos prahlte, bis ihn ein entnervter Zuhörer aufforderte, seinen Worten nun bitte an Ort und Stelle Taten folgen zu lassen: Hic Rhodus, hic salta. Hier ist Rhodos, hier spring. Kann der das? Die Stunde seines größten Triumphs ist für Westerwelle auch die Stunde der Wahrheit. Es ist der Übergang vom Oppositionspolitiker zum Staatsmann, vom Rhetoriker zum Macher. Dass sich Westerwelle dafür ausgerechnet das Außenministerium ausgesucht hat, ist bemerkenswert, geht es hier doch traditionell eher um Kontinuität als um Veränderung. Was er in der Vergangenheit kritisiert hat, hätte der ausgewiesene Innenpolitiker viel eher in jenem Superministerium für Wirtschaft und Finanzen in Ordnung bringen können, für das er von interessierter Seite kurzzeitig ins Gespräch gebracht wurde. Solche Überlegungen allerdings scheinen am Ende kaum eine Rolle gespielt zu haben. Aber auch der Chefposten im Außenamt, mit dem gewöhnlich hohe Sympathiewerte in der Bevölkerung einhergehen, ist für Westerwelle nicht ohne Risiko. Zum einen gibt es da die Kanzlerin, die - ebenso wie der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg - Wert darauf legt, höchstselbst Außenpolitik zu betreiben. Zudem möchte der frühere Spaßpolitiker Westerwelle ausgerechnet auf dem Gebiet der Diplomatie reüssieren, dort also, wo jedes Wort und jedes Komma genau abgewogen sein will. Einen Vorgeschmack darauf, was das bedeutet, hat der FDP-Chef schon bekommen, als er sich ("Das ist Deutschland hier") jüngst bei einer Pressekonferenz weigerte, eine Frage in Englisch zu beantworten - und dabei so gar keine gute Figur abgab. Hunderttausende haben sich das Video inzwischen im Netz angesehen. Zwischen Staatsmann und Witzfigur kann im Internet-Zeitalter nur ein unkonzentrierter Moment liegen.
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