Lausitzer Rundschau: Das schwere Erdbeben in Haiti Die vermeidbare Katastrophe
Cottbus (ots)
Im Oktober 1989 wurde das Gebiet der US-Metropole von San Francisco von einem Erdbeben heimgesucht, das in der Stärke vergleichbar war mit der jüngsten Naturkatastrophe von Haiti. Damals gab es zwar auch erhebliche Schäden zu verzeichnen, und mehrere Dutzend Menschen wurden Opfer. Aber das Ausmaß des Schreckens ist nicht annähernd zu vergleichen mit dem, was die Welt derzeit von der Karibik-Insel berichtet bekommt. Tatsächlich traf das Desaster ausgerechnet den Fleck der westlichen Welt, der am wenigsten darauf vorbereitet war und in keiner Weise dafür gerüstet ist, mit den gigantischen Problemen umzugehen, die sich aus dem Beben ergeben. Haiti ist ein von Diktatur, Misswirtschaft und ökologischer Zerstörung gezeichnetes Land, das seinen Einwohnern seit Jahrzehnten keine Mühsal und Pein erspart - das Musterbeispiel eines gescheiterten Staates. Die Weltgemeinschaft hat darauf zunächst zögerlich reagiert und ein Truppenkontingent entsandt, das das völlige Absinken ins Chaos verhindern konnte. Jetzt antwortet die Staatengemeinschaft, allen voran die USA, mit einer groß angelegten Hilfsaktion, die allerdings nur noch sehr beschränkt wirken kann. Und damit steht fast zwangsläufig die Frage im Raum, ob es richtig ist, wenn die Außenwelt so lange zusieht, bis dann mit tödlicher Gewissheit der Beweis erbracht ist für das Scheitern von all den Institutionen, die den Menschen zunächst den bestmöglichen Schutz vor solchen Naturkatastrophen und dann die notwendige Hilfe garantieren sollen. Auf der Inselhälfte, auf der es praktisch keine Regierungsgewalt mehr gibt, wird über Wochen und Monate hinaus jetzt eine Art von humanitärem Besatzungsregime notwendig sein. Aber was danach kommt, weiß derzeit keiner. Sollen die Ausländer wieder abziehen, wenn die schlimmsten Schäden notdürftig geflickt und die Toten begraben sind? Soll ein Wiederaufbauprogramm jenen korrupten Eliten Haitis anvertraut werden, die in der Vergangenheit das Land herunterwirtschafteten? Oder sollen die Aktivitäten der Uno nicht weltweit um Komponenten erweitert werden, die ein früheres, ein vorsorgendes Eingreifen ermöglichen? Im Falle Haitis wäre die beste Form der Schadensbegrenzung ohne Zweifel eine wesentlich stärkere, wesentlich klarere Form der internationalen Einmischung gewesen. Dergleichen aber würde an dem Souveränitätsprinzip rütteln, das aus gutem Grund zu dem Pfeilern der Weltorganisation gehört. Die Katastrophe war zwar in ihrem Ausmaß vermeidbar - aber die Welt ist noch nicht reif für eine Ordnung, die das Schicksal der Schwächsten über Machtinteressen von regierenden Minderheiten stellt.
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