Lausitzer Rundschau: Ende der trügerischen Ruhe Der politische Aufstand in Ägypten
Cottbus (ots)
Sorge, ja Angst beherrscht aus gutem Grund beim Gedanken an Ägypten die Machtzentralen des Westens. Tatsächlich ist die volkreichste und kulturell führende arabische Nation von herausragender Bedeutung. Aber es gehört ein gehöriges Maß an Ignoranz dazu, von den dramatischen Ereignissen überrascht zu werden. Das Regime des Husni Mubarak hat seit Langem keine Unterstützung mehr in der Bevölkerung, ist wie jede Form despotischer Herrschaft abhängig von Sicherheitsorganen, deren Aufgabe es ist, die Menschen einzuschüchtern und zu verfolgen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass jede Form des Widerspruchs lebensgefährlich wird und in den Folterkellern einer verhassten Polizei zu enden droht. Und deswegen sollte auch keiner überrascht von dem sein, was dem Land am Nil jetzt bevorsteht und was im besten Falle eine schwierige Übergangsperiode sein wird - eher aber eine Periode geprägt von Chaos. Das bisherige Regime ist schwach, vielleicht bald schon am Ende, die Opposition ist nicht bereit zu einer halbwegs geregelten Machtübernahme. Und doch sollen, dürfen diese Ereignisse nicht dazu führen, das Wesentliche dabei zu vergessen. Dies ist der Hoffnungsschimmer, der zuerst in Tunis und jetzt auch in Kairo sichtbar wurde. Die Menschen wollen ihr Schicksal selbst gestalten, sie bedienen sich all der Möglichkeiten der Moderne, um ihre Vorstellungen zu verbreiten und Aktionen zu organisieren. Ihre Forderungen sind die westlichen Errungenschaften der Freiheit - wirkliche Wahlen, unzensierte Information, sozialer Ausgleich. In diesen Stunden der Wahrheit erleben wir die Völker der arabischen Welt mit einer Entschlossenheit zum Wandel, der nicht zwangsläufig zu einer neuen Form der Tyrannei führen muss. Nichts wird wieder so sein, wie es vorher war. Die von den Despoten verordnete Ruhe ist einem Machtkampf gewichen, bei dem die bisherigen Instrumente der Repression nicht länger greifen und der auch die zersplitterte Opposition vor neue Herausforderungen stellt. Die entscheidende Frage ist jetzt, wem es gelingt, sich dem am ehesten anzupassen - den Machthabern mit nicht ganz so neuen, noch blutigeren Maßnahmen der Unterdrückung oder den Gegnern der Despoten, die weiterhin das Moment der Überraschung auf ihrer Seite haben. Und sie haben in den Tagen des Protestes etwas erfahren, was ihr ganzes weiteres Leben bestimmen wird. Sie haben zum ersten Mal die Freiheit gelebt, die uns so selbstverständlich erscheint. Für die westlichen Staaten jedenfalls sollte eine Frage beantwortet sein. Sie müssen sich glaubwürdig auf die Seite des ägyptischen Volkes stellen, wenn sie ein Beispiel setzen wollen für das, was möglich und vor allem wünschenswert ist.
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