Lausitzer Rundschau: Schläge und Ratschläge Wirtschaftsweise rüffeln Union und SPD
Cottbus (ots)
Eigentlich sollen die Wirtschaftsweisen der Bundesregierung nur Ratschläge erteilen. Doch Ratschläge können auch Schläge sein. Das zeigt sich in ihrem aktuellen Herbstgutachten. So vehement haben die Experten der Politik jedenfalls selten kontra gegeben. Dabei ist die amtierende Regierung praktisch machtlos und die neue noch gar nicht gebildet. Doch das, was sich in den Koalitionsverhandlungen zusammenbraut, lässt die Experten aufstöhnen. Ihr Gutachten im vergangenen Jahr enthielt schon die subtile Botschaft, dass sich die damalige schwarz-gelbe Administration nur noch auf den wirtschaftlichen Erfolgen ausruhe. Unter schwarz-roten Vorzeichen drohen diese Erfolge jetzt sogar regelrecht verspielt zu werden. Nun sind Ökonomen nicht unbedingt Fachleute fürs Soziale. Wenn sie zum Beispiel gegen einen flächendeckenden Mindestlohn zu Felde ziehen und dabei auf die schlechte Wirtschaftslage in Staaten verweisen, die ihn längst haben, dann ist das noch längst keine schlüssige Argumentation. Großbritannien zum Beispiel hat mit dem Mindestlohn gute Erfahrungen gemacht. In Schwierigkeiten steckt das Land deshalb, weil seine Wirtschaftsstruktur krisenanfälliger ist als die deutsche - weniger Exportkraft, dafür ein riesiger Finanzsektor. Insofern sollte man die Analyse der Wirtschaftsweisen auch nicht überdramatisieren. Einiges davon muss allerdings schon zu denken geben. Als die ungeliebte Rente mit 67 ins Gesetzblatt kam, geschah das mit Blick auf den demografischen Wandel. In der aktuellen Diskussion hat sich dieses Problembewusstsein jedoch verflüchtigt. Alterssicherung wird nur noch unter dem Gesichtspunkt von Armut und Elend debattiert. So geht die Union mit der Mütterrente hausieren, und die SPD kämpft für die Rente mit 63. Beides kostet Milliarden, was die jüngere Generation massiv belasten wird. Sicher, eine Koalitionsbildung ist für gewöhnlich von Kompromissen geprägt. Bei den vielen Wohltaten, die Union und SPD planen, steht allerdings zu befürchten, dass viele davon beschlossen werden. Vom harten Kampf gegen das zweifellos fragwürdige Betreuungsgeld, den die SPD noch im Wahlkampf geführt hat, spürt man jedenfalls nichts mehr. Und genau darin liegt die Gefahr. Deutschland ist nach wie vor in sehr guter wirtschaftlicher Verfassung. Aber wenn die schmerzlichen Reformen der Agenda 2010 massiv zurückgedreht werden, gerät die Basis des ökonomischen Erfolgs ins Wanken. Wer trotzdem glaubt, das Land könne aus dem Vollen schöpfen, der sollte sich daran erinnern, dass die öffentlichen Haushalte immer noch einen Schuldenberg von unvorstellbaren 2,1 Billionen Euro vor sich herschieben. Auch darauf machen die Wirtschaftsweisen aufmerksam. Und das muss man ernst nehmen.
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