Lausitzer Rundschau: Zur Diskussion über die Bestrafung von Steuerhinterziehern
Kein Persilschein
Cottbus (ots)
Geht der Rechtsstaat zu lax mit Steuerhinterziehung um? Die Antwort scheint schon im Begriff der "strafbefreienden Selbstanzeige" zu liegen: Wer sich reuig gibt, der kommt vergleichsweise glimpflich davon. Er zahlt seine Steuerschuld nach, plus Zinsen und bei entsprechendem Umfang der Steuerschuld einen Strafzuschlag. Aber das war es dann auch. So etwas gibt es bei anderen Delikten nicht. Ist dem Staat das Geld also lieber als der Pranger? Auch das muss offenkundig bejaht werden. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl jedenfalls hat es mit entwaffnender Offenheit auf den Punkt gebracht: "Wir brauchen volle Kassen, nicht volle Gefängnisse." Seit dem Fall der geständigen Steuerbetrügerin Alice Schwarzer steht diese Praxis nun allerdings einmal mehr im Zwielicht. Und besonders forsch gehen jetzt namhafte SPD-Politiker zu Werke. Vielleicht gerade deshalb, weil ihre Partei in dieser Angelegenheit selbst alles andere als unbelastet ist und diese Scharte auswetzen will. Berlins Regierender SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit suchte das Steuervergehen seines Kulturstaatssekretärs lieber unter der Decke zu halten, anstatt gleich personelle Konsequenzen zu ziehen. Teile der Sozialdemokraten also wollen die strafbefreiende Selbstanzeige am liebsten ganz abschaffen. Das klingt sicher populär, ist aber trotzdem wenig durchdacht. Wahr bleibt, dass die Behörden den Steuerbetrügern in erster Linie durch Selbstanzeigen auf die Schliche kommen. Und die Einnahmen daraus sind wahrlich kein Pappenstiel. In den vergangenen drei Jahren trugen die Offenbarungen dem Fiskus immerhin 3,3 Milliarden Euro zusätzlich ein. Fiele die Möglichkeit der Selbstanzeige weg, wäre tatsächlich auch eine Menge Geld futsch. Daher sollte die Selbstanzeige nicht abgeschafft, sondern neu geregelt werden. Und zwar so, dass sie dem Gerechtigkeitsempfinden Rechnung trägt, aber auch dem Hauptzweck von Steuern, nämlich für staatliche Einnahmen zu sorgen. Zum einen geht es um Fristen: Viele wählen die Selbstanzeige nicht aus freien Stücken, sondern weil sie unter Druck geraten. Zum Beispiel durch die drohende Bekanntwerdung einer Steuer-CD oder ganz private Umstände. Wenn dann auch noch klar wird, dass die Steuerhinterziehung über viele Jahre hinweg geschah, also mit durchaus überlegter, krimineller Energie betrieben wurde, dann müssen zumindest die Strafzahlungen dafür drastisch angehoben werden. Zum anderen geht es um die Summen: Nur bei besonders hohen Steuerhinterziehungen sollte man über eine Abschaffung der Strafbefreiung nachdenken. Denn so nachvollziehbar die Einnahme-Interessen des Staates sind, als Persilschein für schwerste Steuerkriminalität dürfen sie trotzdem nicht herhalten.
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