Lausitzer Rundschau: Zum Jahreswirtschaftsbericht und der Politik der Großen Koalition
Gut ist nicht gut genug
Cottbus (ots)
Wer den von Minister Sigmar Gabriel (SPD) vorgelegten und gestern vom Kabinett beschlossenen Jahreswirtschaftsbericht mit den Empfehlungen des Sachverständigenrates vergleicht, kann nur zu einem Schluss kommen: Die Ratschläge der von ihr selbst bestellten Wirtschaftsweisen sind der Bundesregierung schnurz. Sie sind in den Wind gesprochen. Nun ist noch keine Regierung den Gutachten der meist konservativen Professoren bedingungslos gefolgt, doch täte gerade die Große Koalition gut daran, die Hinweise wenigstens ernst zu nehmen. Denn sie beansprucht, die gute wirtschaftliche Lage des Landes dauerhaft sichern zu wollen. Doch das, was in den nächsten Monaten beschlossen werden soll, der Mindestlohn und das Rentenpaket mit seinen Auswirkungen auf die Sozialkassen, wird die deutsche Wirtschaft zunächst einmal eher belasten. Nicht, dass diese Maßnahmen überflüssig wären. Aber es wäre zu wünschen, dass sie mit etwas weniger ideologischer Verve angegangen würden. Dann würde man zum Beispiel beim Mindestlohn nicht gleich sagen "Keine Ausnahmen", sondern sorgsamer schauen, wo er der Beschäftigung oder den Betrieben besonders schadet. Schwarz-Rot scheint jedoch zu denken, dass die gute wirtschaftliche Lage des Landes eine Art Selbstläufer ist. Die gestrige Prognose, 1,8Prozent Wachstum für dieses und sogar zwei Prozent für das nächste Jahr, befördert diese fatale Ansicht. Doch dieses ohnehin bescheidene Wachstum beruht wesentlich auf Effekten und Politiken der zurückliegenden Jahre. Und die Welt ringsherum schläft nicht. Noch mehr zu kritisieren ist mit Blick auf die langfristige Perspektive deshalb all das, was von der Großen Koalition gar nicht erst angepackt werden soll. Nicht mehr Effizienz und Wettbewerb im Gesundheitswesen, nicht die Überprüfung der familienpolitischen Leistungen und ihre Konzentration auf die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, nicht die Korrektur der Schieflagen im Steuersystem von den Umsatzsteuerbefreiungen bis zur Kalten Progression. Nicht ein modernes Zuwanderungsrecht, nicht die Erhöhung der Chancengerechtigkeit in der Bildung. In all diesen Fragen verteilt sich die Verantwortung für Blockaden durchaus gerecht zwischen Union und SPD. Dass die Große Koalition eine aktive Industriepolitik betreiben will und die Interessen des produzierenden Gewerbes offensiv vertritt, auch in Brüssel, ist zweifellos gut. Dass sie den Mittelstand unterstützt und die Schuldenbremse früher als gefordert einhalten will, steht ebenfalls auf der Habenseite. Auch das geplante sanfte Abbremsen des Strompreisanstiegs. Doch gut ist für die Zukunft nicht gut genug.
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