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Lausitzer Rundschau: Ein Lehrstück Zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in Polen

Cottbus (ots)

Man stelle sich für einen Moment vor, es hätte die EU-Osterweiterung des Jahres 2004 nicht gegeben. An der Odergrenze würden sich die Lkw noch immer kilometerlang stauen, wie einst in den 90er-Jahren, als es den Schengenraum noch nicht gab. Zugleich wäre der Warenaustauch zwischen West und Ost ohne europäischen Binnenmarkt deutlich geringer, schon weil die Kaufkraft der Polen und anderer Osteuropäer sehr viel schwächer wäre. Auch die Infrastruktur lüde vermutlich kaum zu Handel und Wandel ein, von den politischen Verwerfungen ganz zu schweigen. Es wäre eine No-win-Situation: nur Verlierer, überall. Das andauernde polnische Wirtschaftswunder ist deshalb ein Lehrstück sondergleichen. Es verdeutlicht, welch gigantischer Erfolg nicht nur die EU-Osterweiterung war und ist. Es zeigt auch den Wert der EU als solcher, ohne die es dem gesamten Kontinent dramatisch schlechter ginge. Dass viele Menschen diese Tatsache nicht sehen oder sehen wollen, liegt wahrscheinlich an dem virtuellen Faktor: Die EU ist nun einmal Realität, und an dieser Wirklichkeit arbeitet man sich ab, nicht an düsteren Alternativszenarien. Das Beispiel des Wirtschaftswunderlandes Polen zeigt aber noch etwas anderes. Es ergibt wenig Sinn, politisch missliebige Regierungen ökonomisch ausbremsen zu wollen oder gar darauf zu hoffen, dass sie sich durch eine verfehlte Wirtschaftspolitik selbst zu Fall bringen. Im Binnenmarkt EU sind alle auf alle angewiesen. Es wäre deshalb der falsche Weg, Polen oder Ungarn im Haushaltsplan für die kommenden 20er-Jahre die Strukturhilfen zusammenzustreichen. Womöglich regieren dann längst wieder die "Guten". Nein, demokratisches und rechtsstaatliches Fehlverhalten oder autoritäre Ambitionen müssen in Brüssel und in den Mitgliedstaaten politisch bekämpft werden. Manches muss man auch einfach aushalten. Eine paternalistische Wirtschaftspolitik unter dem Motto "Polen zuerst" kann man für falsch halten. Aber man sollte die Entscheidungen in Warschau respektieren, solange die Demokratie nicht abgeschafft wird.

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