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Lausitzer Rundschau: Die Lausitzer Rundschau Cottbus zu Horst Köhler ein Jahr Bundespräsident: Unbekümmert - angreifbar

Cottbus (ots)

Der Ruf, ein politischer Präsident zu sein,
verfolgt Horst Köhler seit seinem Amtsantritt vor genau einem Jahr.
Damals hatte der Diplomvolkswirt und ehemalige Chef des
Internationalen Währungsfonds bewusst an diesem Attribut
mitgebastelt, er werde sich deutlich einmischen, ließ er noch vor
seiner Wahl wissen. Das Publikum staunte über „Superhorst“. Mag sein,
dass Köhler die von vielen nun immer wieder bemühte Formel des
politischen Präsidenten nach wie vor als Auszeichnung empfindet.
Versteht man darunter jedoch, Einfluss auf die Politik und ihre
Protagonisten zu nehmen, reduziert sie sich auf das, was sie
eigentlich ist: eine Selbstverständlichkeit für einen
Bundespräsidenten. Köhlers Vorgänger Johannes Rau hat sich
eingemischt – und wie. Erinnert sei nur an den erbitterten Kampf um
das Zuwanderungsgesetz. Roman Herzog, davor Richard von Weizsäcker,
auch diese beiden großen Staatsoberhäupter waren überaus politisch.
Ihre Macht fußte dabei auf ihrer Autorität. Zweifellos gibt es einen
zentralen Aspekt, der Köhler nun von dieser Riege der
Bundespräsidenten deutlich unterscheidet, wie das erste Jahr im Amt
zeigt: Kein anderer hat sich so oft tagespolitisch zu Wort gemeldet
wie der einstige Finanzstaatssekretär unter Kanzler Kohl. Das ist ein
Novum. Das ist allerdings auch ein gefährliches präsidiales Spiel.
Wer häufig angreift, macht sich angreifbar. Köhler lobte die Agenda
2010, kritisierte gleichzeitig Reformversäumnisse; er wandte sich
gegen die Verschiebung des Nationalfeiertages 3. Oktober auf einen
Sonntag und bat zu einem nutzlosen Gespräch über die
Föderalismusreform; er äußerte Bedenken gegen das
Luftsicherheitsgesetz oder provozierte mit seiner sozial durchaus
kalten Rede „Die Ordnung der Freiheit“ vor applaudierenden
Arbeitgebern. Ein Überzeugungstäter? Sicherlich. Der Umstand jedoch,
dass er ein Quereinsteiger und als Politiker ein unbeschriebenes
Blatt gewesen ist, hat der Präsident fälschlich als Einladung zum
vielfachen Mitmischen und weniger zum Vermitteln verstanden. Hier
muss Kritik an ihm ansetzen. Köhlers Unbekümmertheit gegenüber dem
Politikbetrieb hat die Mechanismen freilich nicht außer Kraft
gesetzt. Man hat sich deftig gewährt, dem bürgerlichen Merkel-Mann in
drastischen und üblen Worten Parteilichkeit vorgeworfen. Ein
Armutszeugnis war das für die Berliner Chaostruppen. Zumal die
eigentliche Lehre aus Köhlers erstem Jahr eine ganz andere ist:
Autorität als Bundespräsident gewinnt man nur durch leise, jedoch
überzeugende Töne. Auch Köhler scheint dies mittlerweile erkannt zu
haben – eine neue präsidiale Zurückhaltung ist im Pulverdampf der
letzten Wochen jedenfalls unverkennbar gewesen. Und das ist wahrlich
auch gut so.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau

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