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Lausitzer Rundschau: Zur Debatte um die neue Armut Die Mitmach-Gesellschaft

Cottbus (ots)

Wohlstand für alle! Der Spruch stammt nicht aus
der Anarcho-Szene, sondern von Ludwig Erhard. Der damalige 
Bundeswirtschaftsminister hat so sein 1957 veröffentlichtes Buch 
überschrieben - und damit das Versprechen formuliert, dass die 
soziale Marktwirtschaft westdeutscher Prägung allen ihren Bürgern 
geben wollte: Du kannst es zu etwas bringen, wenn Du Dich nur 
genügend anstrengst.
Natürlich konnte auch die alte Bundesrepublik diesen Anspruch nicht 
immer einlösen. Aber sie hat ihn doch in weiten Teilen eingelöst und 
auch manchem Un- oder Angelernten die Gelegenheit gegeben, sich den 
Wunsch nach dem kleinen Glück, der gemütlichen Wohnung, dem Fernseher
und dem Volkswagen, zu erfüllen.
Nach der politischen Wende galt das Versprechen der sozialen 
Marktwirtschaft auch für die neuen Länder. Und tatsächlich ist es 
hier seit 1990 einer ganzen Reihe von Menschen gelungen, sich mit 
Fleiß und harter Arbeit im vereinigten Deutschland etwas aufzubauen. 
Heute, 16 Jahre später, ist zugleich aber vielen im Osten der Glaube 
an die Chance auf sozialen Aufstieg abhanden gekommen. Auf zwanzig 
Prozent der Bevölkerung beziffert die Friedrich-Ebert-Stiftung jenen 
Bevölkerungsteil, dessen Mitglieder ihr Leben als gesellschaftlichen 
Abstieg empfinden, die keine Perspektiven mehr sehen, die arm, nicht 
mobil und ohne familiären Rückhalt sind. Die Rede ist schon von einer
"neuen Unterschicht", die Verfasser der Studie selbst sprechen vom 
"abgehängten Prekariat" - hergeleitet von den beschriebenen prekären,
also unsicheren, Lebensverhältnissen.
Nun kann der Fakt, dass es einen großen Bevölkerungsteil mit den 
beschriebenen Eigenschaften gibt, im Osten niemanden überraschen. 
Wenn die neue Debatte darüber einen Sinn haben soll, dann muss sie 
sich um die Frage drehen, wie den betroffenen Menschen die 
Perspektive auf eine Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen 
Leben - und eben auch auf einen gewissen Wohlstand - wiedergegeben 
werden kann. Dazu gehört sicher an vorderster Stelle die Schaffung 
gleicher Chancen für alle auf bestmögliche Bildung. Aber wohlgemerkt:
Nicht jeder hat das Zeug zum IT-Ingenieur. Es gilt, Wege zu finden, 
wie sich möglichst viele gemäß ihren Fähigkeiten einbringen können. 
Und zwar jenseits jener Jobs, die den Arbeitswert von Menschen auf 
einen Euro pro Stunde taxieren und damit keinen Raum mehr für 
Selbstwertgefühl und Motivation lassen. Die Mitmach-Gesellschaft - 
das wäre doch ein lohnendes Projekt für eine Volkspartei, egal ob sie
sich dabei auf sozialdemokratische oder christliche Tradition beruft.

Rückfragen bitte an:

Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
lr@lr-online.de

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