Richter beklagen riesigen Berg an Altfällen
Halle (ots)
Halle - Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg (OVG), Oliver Becker, kritisiert die Personalpolitik des Justizministeriums. "Die seit Jahren währende unzureichende Personalausstattung hat an den Verwaltungsgerichten zu einem Berg an Altverfahren geführt. Dieser Berg bleibt, weil uns die Ministerin nicht mehr Personal zuteilt", sagte Becker der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Montagausgabe). Außerdem liege die durchschnittliche Dauer der Verfahren nun mit 14,4 Monaten über dem Bundesschnitt von 12,8 Monaten. "Das ist nur der Durchschnitt, mehrere hundert Verfahren sind älter als zwei oder drei Jahre", sagte Becker der Zeitung.
Mit dem verstärkten Zuzug von Flüchtlingen nach 2015 sind auch die Zahl der Asylverfahren sprunghaft angestiegen. Mittlerweile sind die Flüchtlingszahlen und neuen Asylverfahren stark zurück gegangen - die Verwaltungsgerichte haben nun aber einen Berg an Altfällen. Laut Becker sind aktuell mehr als 5.200 Verfahren anhängig, das seien etwa 40 Prozent mehr als vor 2015.
Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) verwies gegenüber der Zeitung auf die neuen Verfahren. "Der Höchststand an Eingängen lag im Jahr 2017 und betrug knapp 10.000 Verfahren. Im ersten Halbjahr 2020 sind lediglich 2.400 neue Verfahren eingegangen", sagte die Ministerin dem Blatt. Das sei das Niveau von 2012. Damals seien die Verwaltungsgerichte mit 43 Richtern und drei Proberichtern ausgestattet gewesen - derzeit seien es 42 planmäßige Richter und zwölf Richter auf Probe. "Aufgrund der komfortablen Personalausstattung konnten die Verwaltungsgerichte die hohen Bestände kontinuierlich in erheblichem Umfang abbauen. Es gibt keinen sachlichen Grund für eine weitere personelle Überausstattung der Verwaltungsgerichte", sagte Keding.
Die rechtspolitische Sprecherin der Linken-Landtagsfraktion, Eva von Angern, wirft der Ministerin "Kleinkrämerei und Schönrechnerei" vor; sie fordert eine "kluge Personalpolitik, die Sorge dafür trägt, dass Rechtsuchende zeitnah Rechtssicherheit haben". Altbestände bei der Planung unberücksichtigt zu lassen, sei "grob fahrlässig und geht auch zu Lasten der Bediensteten", sagte von Angern der Zeitung.
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