Mitteldeutsche Zeitung: Offenbar zwei Städte im Endspurt um deutsche Kulturhauptstadt 2010
Vor der Kulturstadt-Entscheidung am Donnerstag: Jury-Mitglieder Muschg und Schmied über Kriterien der Wahl
Halle (ots)
Offenbar machen nur zwei der zehn deutschen Bewerber-Städte das weitere Rennen um die europäische Kulturhauptstadt 2010, meldet die Mitteldeutsche Zeitung in ihrer Mittwochausgabe. Das ist die Quintessenz der Gespräche, die diese Zeitung mit zwei Jurymitgliedern führte. Obwohl die siebenköpfige Jury bis Donnerstagabend zum Schweigen verpflichtet ist, konnte die MZ mit den Jury-Mitgliedern Adolf Muschg, dem Präsidenten der Berliner Akademie der Künste, und Wieland Schmied, dem ehemaligen Präsidenten der Bayerischen Akademie der Künste, zumindest über einige Kriterien der Jury-Entscheidung reden.
Der Beitrag im Wortlaut:
Die Entscheidung sei "erstaunlich wenig schwierig" gewesen, so Adolf Muschg gegenüber der MZ. Und dies, obwohl allen Jury-Mitgliedern bewußt wurde, dass sie "Äpfel mit Birnen und Nüssen" vergleichen mußten. Für ihn selbst, so Muschg, sei beispielsweise "die historische Mitgift" einer Stadt besonders wichtig gewesen. Andere hätten eher auf das Modellhafte für Europa gesetzt. Muschg gesteht, mit der Entscheidung der Jury "äußerst zufrieden" zu sein. Zufrieden ist auch Wieland Schmied. Wenn er trotzdem im Gespräch mit der MZ sagt, er sei "enttäuscht", so bezieht sich die Enttäuschung auf die Willkürlichkeit der Entscheidung. Wenn zehn Städte zu einer "kulturellen Reifeprüfung" anträten und alle diese Prüfung mit Bravour bestehen würden, aber dennoch nur zwei bis vier weiterkämen, dann sei das zwangsläufig Willkür. Er sei gern in der Rolle des Paris gewesen, der zehn Äpfel weitergeben könne. Wegen der Fülle der guten Bewerbungen macht Schmied den Vorschlag, künftig neben der europäischen Kulturhauptstadt eine nationale Kulturhauptstadt auszurufen. Jedes Jahr könne dies eine andere deutsche Stadt sein, schlägt Schmied vor. Er faßt seine Jury-Erfahrung in dem Satz zusammen: "Kultur spielt eine enorm wichtige Rolle". Die Entscheidung sei, so Adolf Muschg, von keinerlei Proporzdenken bestimmt gewesen. Auch die Ost-West-Überlegung habe keine Rolle gespielt. Schmied ergänzt: Die Jury habe sich erfreulicherweise nicht von populistischen Überlegungen leiten lassen. Die Jury habe sich zunächst an den vorgegebenen Fragenkatalog gehalten. Doch diese "etwas akademische" Vorgehensweise sei dadurch ergänzt worden, dass man sich bei den Besuchen "von jeder Stadt überraschen ließ". Auf die Frage, ob nun zwei, drei oder vier Städte von der Jury weiterempfohlen werden, antworten beide Jury-Mitglieder ausweichend. Gleichwohl kann man zwischen den Zeilen hören, dass wohl nur zwei Kandidatenstädte benannt wurden. Dies vor allem deshalb, um die Jury- Entscheidung verbindlicher zu machen, sowohl für die Kultusminister- Konferenz als auch den Bundesrat, der die Empfehlung letztlich an die europäischen Entscheidungsgremien weiterreicht. "Ich habe schon das Gefühl", so Muschg, "dass unser Vorschlag, so wie er ist, weitergegeben wird". Und Schmied gibt bedauernd zu, dass er zu jene gehört habe, die gern mehr Städte ins weitere Rennen geschickt hätten. Es gibt jetzt viele "ehrenvolle Nichtgewinner", meint Wieland Schmied. Gehört Halle dazu? Beide Jury-Mitglieder loben die Bewerbung Halles: "Über Halle ist viel diskutiert worden", so Schmied. Positiv sei vermerkt worden, dass Halle sehr offen "die Wunde gezeigt" hätte. Wichtig für die Entscheidung sei aber auch gewesen, wie stark das Engagement für die Kultur in der jeweiligen Stadt sei. "Öffentliche Hände sind heutzutage leere Hände", so Schmied. Umso wichtiger sei, wie groß der Einsatz für die Kultur trotz großer Haushaltslücken in der jeweiligen Stadt sei. Sind Bremen und Görlitz, wie jetzt vielfach spekuliert wird, die glücklichen Gewinner? Schmied: "Beide Städte haben große Haushaltslücken". Und Muschg: "Das ist eine voreilige Spekulation".
ots-Originaltext: Mitteldeutsche Zeitung
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