Mitteldeutsche Zeitung: Standort der Bundeskulturstiftung
Halle (ots)
Standort der Bundeskulturstiftung: "Bürgerstiftung Halle" folgt Grass-Aufruf/Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) lehnt Erklärung für Halle ab/Paul Raabe, Klaus Staeck und Friedrich Dieckmann werben für Halle
Dem Aufruf von Günter Grass, sich in einer Aktion "Pro Halle" für die Saalestadt als Standort der Bundeskulturstiftung nach ihrer Fusion mit der Kulturstiftung der Länder stark zu machen, folgt die "Bürgerstiftung Halle". Am Freitag werde man einen Aufruf veröffentlichen, um Unterschriften für ein Verbleiben der Stiftung in der Stadt zu sammeln, sagt Wolfgang Aldag, Vorsitzender der "Bürgerstiftung Halle" der Mitteldeutschen Zeitung (Dienstagausgabe). Die Unterschriftenlisten sollen dem Staatsminister für Kultur, Bernd Neumann (CDU) übergeben werden. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) lehnt es ab, dem Vorschlag von Literaturnobelpreisträger Günter Grass nachzukommen, sich für Halle als Sitz der Bundeskulturstiftung zu erklären, meldet die Mitteldeutsche Zeitung. Er werde sich "nicht öffentlich zu der Aufforderung von Günter Grass äußern", teilte der Politiker gestern mit, der zudem kulturpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion ist. Grass hatte in der Mitteldeutschen Zeitung gesagt, er "wünsche" sich von Norbert Lammert, der zuletzt durch den Gebrauch des "Leitkultur"-Begriffes für Schlagzeilen sorgte, dass er besser "ein Beispiel setzen und sich für Halle aussprechen" sollte - als Sitz der Kulturstiftung. Dies wäre "ein Stückchen Leitkultur", sagte Grass, "das Beharren darauf, dass unser Reichtum in Deutschland aus Vielfalt besteht und nicht aus Zentralismus". Der Schriftsteller sprach sich vehement gegen Pläne aus, die Bundeskulturstiftung nach ihrer Fusion mit der Kulturstiftung der Länder nach Berlin abzuziehen. Das sei "absurd, widersinnig und im Grunde barbarisch", sagte Grass. Der in Wolfenbüttel lebende Literaturhistoriker und hallesche Ehrenbürger Paul Raabe hat kein Verständnis für das intern diskutierte Abwanderungs-Szenario. "Die Bundeskulturstiftung hat die Pflicht, sich mit den neuen Ländern und mit Osteuropa zu beschäftigen", sagte Raabe. "Deshalb ist es höchst bedauerlich, dass erwogen wird, dieses soziale Problemgelände alleinzulassen." Der in Heidelberg arbeitende Grafiker Klaus Staeck, der Kultursenator des Landes Sachsen-Anhalt ist, begreift den Ort Halle "als eine der bedeutenden Kulturstätten in der bedeutendsten Kulturlandschaft Deutschlands". Die Kulturpolitiker "sollen ihre Zentralismus-Erwartungen lieber in der Bildungspolitik ausleben statt am Standort Halle", sagte Staeck. Er werde sich dafür einsetzen, dass der Kultursenat des Landes sich mit einem Plädoyer für Halle zu Wort meldet. Der in Berlin lebende Publizist und Schriftsteller Friedrich Dieckmann ist Vizepräsident der Sächsischen Akademie der Künste und der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg. "Ein starkes Stück", nannte er die Erwägung des Standortwechsels. "Die Bundeskulturstiftung ist in Halle am rechten Fleck, dieser Stadt, in der eine großartige kulturelle Überlieferung auf die sich wie im Brennglas konzentrierenden Probleme einer von Bevölkerungsschwund und Desindustrialisierung gezeichneten Gegenwart trifft", teilt Dieckmann mit. "Die Wiederherstellung der Franckeschen Stiftungen gehört zu den bedeutenden Aufbauleistungen der letzten anderthalb Jahrzehnte - hier hatte die Bundeskulturstiftung ihren Hauptsitz, hierhin gehört sie, unbeschadet der Berliner Nebenstelle, auch in ihrer künftigen Gestalt, um denen, die Kultur fördern, eine Erfahrung zu sichern, die nur hier zu gewinnen ist".
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Christian Eger
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