Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Ägypten
Stuttgart (ots)
Nach dem Auszug der Salafisten gerät die restliche Tahrir-Allianz der zweiten Revolutionäre mehr und mehr in den Ruch, mit Panzern und Gewehren an die Macht gelangte Wahlverlierer zu sein. Denn ihr Bündnis mit Armee und Polizei könnte sich als Pakt mit dem Teufel erweisen. Die Generäle haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren sämtliche Verbrechen ihrer Truppen unter den Tisch gekehrt. Ägyptens Sicherheitskräfte haben immer nach eigenem Ausnahmerecht agiert. Die Polizei hatte unter Mursis Präsidentschaft ihren Dienst glattweg verweigert, jetzt fühlen sie sich erneut als unangefochtene Herren im eigenen Haus. Für die politische Übergangsallianz, die sich mit dem Sturz der Muslimbrüder die Rettung der revolutionären Ideale auf ihre Fahnen geschrieben hat, könnte sich dies schon bald als überschwere Hypothek erweisen.
Die Opposition ist hoffnungslos zerstritten. Ihr Spitzenpersonal ist genauso mittelmäßig wie das der geschassten Vorgängerführung. Der Neo-Nasserist Hamdeen Sabahi meldet sich noch gelegentlich mit kruden Vorschlägen und schwammigen Interviews zu Wort. Der Ex-Chef der Arabischen Liga, Amr Moussa, strotzt verbal vor Tatendrang und weiß doch nicht, was er tun soll. Und Mohamed al-Baradei, Ägyptens bekanntester Polit-Twitterer, gilt selbst in den Reihen der eigenen Partei als schlechter Organisator mit abgehobenen Attitüden und einsamen Entscheidungen, der die Flügel nicht zusammenhalten kann.
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