Stuttgarter Zeitung: Kommentar zu Wulff
Stuttgart (ots)
Musste es wirklich so weit kommen? Die ermittelnden Staatsanwälte sehen sich mit Unterstellungen konfrontiert, sie hätten übereifrig gehandelt. Ihre Anklageschrift steht tatsächlich in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, mit dem diese Ermittlungen betrieben wurden. Und diese stehen in keinem Verhältnis zu den Konsequenzen, die sie für Christian Wulff nach sich zogen, bevor überhaupt das erste Urteil gesprochen ist.
Dennoch ist den Staatsanwälten kein Vorwurf zu machen. Sie hatten überhaupt keine Wahl, als mit größtmöglicher Gründlichkeit zu recherchieren. Wie schrill wäre wohl der Aufschrei gewesen, wenn sie darauf verzichtet hätten, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, als seinerzeit im Raum stand, der Bundespräsident sei korrupt? Jegliche Nachsicht mit dem ersten Mann im Staate wäre als Versuch der Vertuschung gebrandmarkt worden. Die Strafbehörden taten gut daran, jeden Anschein zu vermeiden, einer wie Wulff werde geschont, während es kleinen Beamten in solchen Fällen unbarmherzig an den Kragen geht. Wenn der Eindruck entstanden wäre, hier werde mit zweierlei Maß gemessen, dann hätte der Fall Wulff in der Tat das öffentliche Klima vergiftet.
Für Wulff selbst eröffnet der Auftritt vor dem Kadi vielleicht die letzte Chance, das Ende seines Niedergangs wenigstens juristisch mit weißer Weste zu erleben. Er hofft auf eine späte Genugtuung. Auch ein Freispruch würde all den Schaden, der ihm schon entstanden ist, jedoch nie aufwiegen können.
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